Biden-Wahlkampf: Stillhalten und am Leben bleiben
US-Präsident Joe Biden hat seine Kandidatur für das Weiße Haus bekannt gegeben.© SAUL LOEB / AFP
Er tritt also tatsächlich noch einmal an, der sehr alte Mann im Weißen Haus. Er will den Job zu Ende bringen, wie er sagt. Denn für die Democrats geht es hauptsächlich darum, Donald Trump weiterhin von Washington D.C. fernzuhalten. Durch kräfteraubende Wahlkampftouren muss Joe Biden allerdings nicht. Er hofft, nur stillhalten zu müssen und am Leben zu bleiben, bis die Konkurrenz sich wunschgemäß zwischen Trump und DeSantis zerfleischt hat. Die US-Wähler werden zur gegebenen Zeit zeigen, ob diese Rechnung aufgeht. (JR)
„Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen.“ (Sunzi, „Die Kunst des Krieges“)
Die Sonne scheint zum schö nsten Frühlingswetter im Rosengarten des Weißen Hauses. Wer die Szene sah, reibt sich verwundert die Augen. War das da eben wirklich Joe Biden, der die Frage der Reporterin der Los Angeles Times flüssig, ja lässig beantwortet hatte? Sofort begann die Ursachenforschung. Lag es am Knopf im Ohr, über welchen ihm die Antwort eingespielt würde? Aber die Pressekonferenz anlässlich des Besuchs des südkoreanischen Präsidenten und um dessen Antworten zu verstehen, ist logischerweise ein Dolmetscher zugeschaltet. War es die Sonnenbrille, hinter der ein geheimer Teleprompter versteckt war? Aber mit dem Lesen vom Teleprompter hat Biden regelmäßig Probleme, unwahrscheinlich, dass dies plötzlich anders ist. War er mal wieder in den Zaubertrank gefallen, den man ihm regelmäßig dann anrührt, wenn unerwarteter Kontakt mit der Realität zu befürchten und Bidens Kognition gefordert ist? Davon ist auszugehen.
Die Frage, die Courtney Subramanian stellte, hatte es auf den ersten Blick wirklich in sich, gerade weil sie von einem Blatt kam, dass nicht gerade für seine Regierungskritik bekannt ist, solange ein Demokrat die Regierung anführt. Ob er nicht zu alt sei, um noch einmal anzutreten, wollte Subramanian wissen. Schließlich fänden 70 Prozent der Amerikaner das auch, selbst eine deutliche Mehrheit seiner Unterstützer. „Look at me“ habe Biden solche Fragen früher gern abgebürstet, und die Wähler hätten geschaut und ihn für nicht fit genug befunden.
Eine harte Frage, welcher Biden zwar ausweichend und mit Verweisen auf andere Umfragen beantwortete, die nur er zu kennen scheint. Nimm das, skeptische Presse! Doch was heißt schon skeptisch. Etwas am Rande der Szene stehend, entstanden die Bilder, die den scheinbaren kognitiven Höhenflug Bidens erklären. „Reporter Q&A, Courtney Subramanian (mit Bild und Lautschrift Soo-bruh-MAIN-ee-an)“ steht auf der Karte in Bidens Hand gedruckt. Darunter die Antwort, die er zu geben hat. Jemand hat handschriftlich „Question#1“ ergänzt, die Reihenfolge der vorbereiteten Fragen wurde offenbar in letzter Minute festgelegt. Also keine freie Rede, keine schlagfertige Antwort, kein medizinisches Wunder, kein Jungbrunnen im Oval Office. Stattdessen ein abgekartetes Spiel wie stets, und die Presse spielt bereitwillig mit. Zumindest der Teil, auf den es ankommt, denn auch wenn die New York Post genüsslich das präsidiale Theater kommentiert, ist die Aufmerksamkeit längst weitergezogen.
Er muss am Leben bleiben, das ist alles
Er tritt also nochmal an, der alte Mann im Weißen Haus, um den Job zu beenden, wie er sagt. Welches der unvollendete Job ist? Ganz einfach, denn da ist nur einer: Es gilt, Trump weiterhin vom Weißen Haus fernzuhalten. Und in diesem Bestreben hat Biden loyale Unterstützer in den Medien und noch mehr im gigantischen Regierungsapparat in Washington, wo man panische Angst um Posten und Pöstchen hat, nachdem nun bekannt ist, wie FBI, CIA und andere akronyme Entitäten Trumps Präsidentschaft untergruben, wo sie nur konnten. Der glaubte 2016 naiverweise, sich den „Sumpf“ dienstbar machen zu können. Doch es war das FBI, mit dessen Hilfe Clintons Kampagne das „Steel Dossier“ erstellen ließ, und Mike Morell, ein ehemaliger sellvertretender CIA-Direktor, sagte gerade vor dem Justizausschuss des Repräsentantenhauses aus, er sei von Antony Blinken, dem außenpolitischen Berater in Bidens Wahlkampfteam, dazu aufgefordert worden, ehemalige Geheimdienstler dazu zu bringen, Hunters leidiges „Laptop from Hell“ in einem gemeinsam unterzeichneten Brief zur typischen russischen Desinformation zu erklären. Die Ablenkung funktionierte und trug Biden über die Ziellinie. Dass Blinken für die Aktion mit dem Posten des Außenministers belohnt wurde, ist natürlich nur ein Gerücht.
Man sollte nicht den Fehler machen, sich auf die offensichtlichen Defizite Bidens zu versteifen, seine Aussetzer und Stolperer auszuschlachten und auf sein Alter hinzuweisen. All das spielt keine Rolle. Er muss am Leben bleiben, das ist alles, was man von ihm erwartet. Das „man“ ist dabei kein geheimer Zirkel, sondern der präsidiale Apparat, die Partei der Demokraten und das Getriebe der vielen staatlichen Zahnrädchen mit den schicken Abkürzungen. Eine persönliche präsidiale Agenda würde da nur hinderlich sein. Eine solche ist weder von Biden noch von VP Kamala Harris zu erwarten. Letztere fällt seit ihrem Amtsantritt eher dadurch auf, fließend Gaga zu sprechen und dabei das Publikum zu sedieren.
Bidens Ankündigung, erneut zu kandidieren, kam dann auch in der erwarteten Form. Nicht persönlich im Rahmen einer Pressekonferenz oder eines TV-Interviews, sondern als mit „the Message“ beladener Werbeclip. Die Botschaft lautet: Ich bin nicht Trump, und nur ich kann euch von den Ultra-MAGA-Republikanern retten. Nur über die Ziellinie muss ihn wieder jemand tragen. Wer das sein wird? Nun, der Plan scheint zu sein, dies Donald Trump selbst zu überlassen. Ganz er selbst, demontiert Trump nämlich gerade alle anderen Kandidaten, die ihm bei den Republikanern in die Quere kommen könnten.
Vorsorglich öffentliche Debatten im Vorwahlkampf ausgeschlossen
An Ron DeSantis arbeitet er sich geradezu ab. Im Team Biden geht man jedenfalls fest davon aus, dass Trump der Kandidat der Republikaner sein wird. Nur deshalb tritt Biden noch einmal an. Und während Trump von Rallye zu Rallye fliegen wird, um sich von seinen Anhängern feiern zu lassen und damit einen Vorgeschmack des Sturms zu geben, den er 2024 zu entfachen vorhat, wird Biden einen Wahlkampf führen, der sich nur unwesentlich von dem unterscheiden wird, den er 2020 führte: in Abwesenheit. Je mehr republikanische Mitbewerber Trump auf seinem Weg zur Kandidatur demontiert, umso besser!
Die eingefleischten Demokraten erreicht er so ohnehin nicht, verprellt aber die Unabhängigen, bei denen DeSantis zum Beispiel sehr beliebt ist. Und während sich Trump mit Ellenbogen an die Spitze des Feldes bringt, muss Biden keine innerparteilichen Mitbewerber fürchten. Niemand aus dem Establishment der Demokraten wird ernsthaft gegen Biden antreten und ihn womöglich in Debatten beschädigen. Einer, dem das womöglich gelungen wäre, steht seit Jahren außerhalb des Machtzirkels: Robert F. Kennedy jr.
Man möchte nicht, dass es zum Schlagabtausch des Abtrünnigen aus dem Kennedy-Imperium mit dem angeschlagenen Joe Biden kommt und hat deshalb vorsorglich öffentliche Debatten im Vorwahlkampf ausgeschlossen. Auch hier springt die Presse Biden willfährig zur Seite. Diesmal in Form eines „Faktenchecks“, welcher der Frage nachgeht, ob die Demokraten die Vorwahldebatten abgesagt hätten oder nicht. Ergebnis für Newsweek: Irreführende Aussage!
Es seien nämlich gar keine Debatten geplant, weshalb auch keine abgesagt werden können und überhaupt: Es gäbe ja keine ernst zu nehmenden Gegenkandidaten, wozu also überhaupt Debatten? Semantische Spielchen, um den Umstand zu verschleiern, dass Biden in einer echten, ungescripteten Debatte mit Robert F. Kennedy Junior unterginge wie die Titanic. Für die Nominierung werden am Ende schon die Superdelegierten sorgen, selbst wenn die Basis der Dems in den Bundesstaaten anderer Meinung sein mag.
Soll Trump doch die Aufmerksamkeit der Medien haben, er, Biden, muss lediglich die Angst vor Trumps Rache am Establishment ernten, die dieser wortgewaltig und mit lockerer Zunge zweifellos reichlich säen wird. Die Wahl wird auch 2024 nicht in Umfragen oder an den Wahlmaschinen entschieden, sondern durch die vielen tausend Aktivisten, die auch diesmal von Klingel zu Haustür laufen werden, um Wahlzettel einzusammeln. Ganz legal. Und in dieser Disziplin sind die Dems den Reps haushoch überlegen.
Im Moment läuft tatsächlich alles auf eine Wiederholung des Duells Biden vs. Trump hinaus. Trump wünscht sich nichts sehnlicher. Er und die Republikaner sollten sich jedoch fragen, warum die Demokraten sich das offensichtlich auch wünschen.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Achgut.com
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