Sprengung der Nord-Stream-Pipeline doch nicht russisch: Mögliche Motive der Biden-Administration
Die Berichterstattung über die Sprengung der Nord-Stream Pipeline ist sehr kontrovers. © youtube
Die Jüdische Rundschau hat seit der Sprengung der Pipeline, unter großer Anfeindung vor allem von grüner aber auch von anderer Seite, dargelegt, dass ganz nach dem kriminalistischen Grundsatz „cui bono“ allen anderen voran Amerikaner und Ukrainer großes Interesse an der Unterbrechung der russischen Gas-Lieferung hatten. Nun werden Stimmen laut, wonach die Biden-Administration damit die Europäer wohl in einen langen Krieg mit Russland zwingen wollte und Deutschland als Wirtschaftskonkurrent das billige Gas und damit einen Teil seiner wirtschaftlichen Basis verlieren soll. Das sind nur zwei der veröffentlichten dunkelsten Verdachtsmomente seitens des anerkannten investigativen amerikanischen Journalisten Seymour Hersh über die Hintergründe der Sprengung der Nord-Stream-Pipeline. (JR)
Auch drei Monate nach seiner ersten Veröffentlichung zum Thema Nord-Stream-Sprengung kann Seymour Hersh, der Pulitzerpreisträger und langjährige Investigativjournalist mit exzellenten Kontakten in verschiedene Nachrichtendienste (auch die deutschen), ein größeres Publikum fesseln. Und das erstaunt viel weniger als das scheinbare Desinteresse der staatlichen Untersucher, vor allem in Deutschland. Dem Nicht-Sprechen über das Geschehene aus offiziellem Mund steht eine ungebrochene Neugier auf Seiten des breiteren Publikums gegenüber. Der schwedische Ermittler in Sachen Nord Stream, Mats Ljungqvist, hat aktuell konstatiert, dass er mit großer Sicherheit von einem „staatlichen Akteur“ hinter dem Anschlag ausgeht.
In seinem jüngsten Interview, das Hersh mit TE führte, gibt es zwei Wendepunkte, die das Geschehen erklären können und von denen der zweite um einiges raffinierter ist als der schon länger bekannte erste. Hershs Worte fallen dabei in eine Lage, in der die Unterstützung für einen lange anhaltenden Krieg in der Ukraine bröckeln könnte. Und genau dies thematisiert er als frühe Befürchtung der US-Regierung unter Joseph Biden.
Die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines war ursprünglich wohl als eine Drohung an Russland entworfen worden für den Fall, dass das Land die Grenze zur Ukraine mit Waffengewalt überschreiten würde. Hersh beschreibt diesen Teil seines Arguments mit den Worten, „ein Lockmittel oder eine Drohung“ (an enticement or a threat) sollte die Sprengung für Russland sein, damit es den Waffengang in der Ukraine vermiede. Egal, ob diese Annahme einer Wirksamkeit auf die russische Führung realistisch war oder nicht, die Idee der Pipeline-Sprengung war damit anscheinend fest in die Köpfe von Biden-Regierung und CIA gepflanzt. Dieser erste Wendepunkt in der US-Außenpolitik war schon um Weihnachten 2021 herum überschritten worden, um am 7. Februar festen Ausdruck in Joe Bidens öffentlichen Worten in einer Pressekonferenz mit Olaf Scholz zu finden.
Doch unmittelbar nach Beginn des Krieges sollte Biden zögern, die von ihm quasi angekündigte Strafsanktion durchzuführen und seinen Worten Taten folgen zu lassen. Aber warum entschied er sich dann ein halbes Jahr später dazu, als Russland entschieden schien, die Ukraine in einen langen Krieg zu verwickeln, und außerdem keinen direkten Schaden durch den Pipelineverlust erleiden würde? An die Europäer lieferte Moskau damals ohnehin kein Gas mehr, während es den Ölhandel vor allem mit Indien und China ausgebaut hatte.
Die Frage war also: Warum sollte die CIA Ende September 2022 einen Anschlag auf dieses russisch-deutsche Jointventure verüben? Die Antwort dreht sich nicht so sehr um Russland, sondern um Deutschlands Platz im westlichen Bündnis. Die beiden Nord-Stream-Projekte waren in Washington schon seit langem als wirtschaftliches Konkurrenzprojekt, ja als neue Bedrohung der Westbindung Deutschlands ausgemacht worden. Hersh beschreibt den Handel mit den energiereichen Bodenschätzen Erdgas und Erdöl zwischen dem liefernden Russland und dem zahlenden Europa als beständigen Dorn im Auge der USA, und das schon seit den Zeiten John F. Kennedys. Washington habe das „schon immer als Instrumentalisierung“ (weaponization) aufgefasst: „Aus amerikanischer Sicht benutzten die Russen das Gas, um die Unterstützung zur Nato und für die USA zu reduzieren. Wir sahen es als Waffe.“
Betrieb Biden die Stockholmisierung der Europäer?
Und diese Waffe sollte nun nicht nur Russland endgültig aus der Hand genommen werden. Im gleichen Zuge sollte auch den Westeuropäern, vor allem den Deutschen, klar gemacht werden, dass sie auf absehbare Zeit ohne den exklusiven Zugang zu russischem Gas zu bleiben hätten. Es war eine Politik der Peitsche für die Verbündeten, und, wenn Hersh recht hat, eine Art Stockholmisierung der Europäer, die als enge Verbündete auf ihren Platz verwiesen wurden – den eines willfährigen Opfers der US-Energie- und Interessensphärenpolitik.
Auch hier erwies sich die Pipeline-Attacke also als ein Lock- oder Drohmittel der besonderen Art. Und Hersh bemüht sich, diese Entscheidung verständlich zu machen: „Indem Biden die Pipelines sprengen ließ, sagte er zu den Europäern: Mir fehlt eure Unterstützung. Ich habe Befürchtungen, dass ihr wanken könntet, wenn es auf ein Patt mit Russland hinauslaufen sollte. Es war seine Art zu sagen: Ich brauche mehr Geld von den Nato-Partnern, vielleicht sogar Truppen, speziell von Deutschland.“ Talking to you softly, könnte man dazu sagen. Durch die Sprengung des Infrastruktur-Großprojekts, die zu drei Vierteln gelang – eine der vorher vier Pipelines wären wohl noch heute einsatzbereit –, hätte Präsident Biden die Nato-Verbündeten in Haft für einen Krieg genommen, der laut Hersh auch in den USA immer kritischer gesehen wird. Und logisch scheint: Damit geht auch die Bereitschaft die Amerikaner zurück, für die Waffen der Ukrainer und vieles andere zu bezahlen, das das Land in dieser Situation braucht.
Staats- und Regierungschefs als unglückliche Figuren
Doch nicht nur die Problematik von Wirtschaftsbeziehungen zu Russland wurde durch den Anschlag in Erinnerung gebracht, sondern auch die Krise selbst, die der Krieg für Europa darstellte. Die Sprengung war ein Stück psychologischer Kriegsführung der Amerikaner, die so die Front gegen Russland letztlich zu stabilisieren hofften. Außerdem war ihrem langfristigen Interesse gedient, Westeuropa von Russlands Gas zu entzerren. Darüber hinaus könnte vor allem Hershs Urteil zu den Regierenden in Berlin, Washington und Moskau noch eine größere Rolle spielen, soweit es sich als fundiert erweist. Und dafür spricht einiges.
Dass Olaf Scholz eine unglückliche Figur in der ganzen Affäre macht, ist klar. Es war seine Partei, die sich Nord Stream von Gerhard Schröder angefangen bis hin zu einer amtierenden Ministerpräsidentin, Manuela Schwesig, auf die Fahnen geschrieben hatte. Und nun wurde die SPD quasi vom „größten Fisch“ im Nato-Teich auf eine Art zurückgepfiffen, die alles andere als schmeichelhaft ist. Scholz musste zweimal in Washington antanzen, um zunächst die Order Bidens entgegenzunehmen – was Hersh selbst zwar nicht behaupten will, was aber für jeden guten Psychologen offenkundig sein dürfte –, dann nochmals, um eine Cover-up-Story zu vereinbaren, die gleichzeitig an die deutsche Wochenschrift Die Zeit und die New York Times gestreut wurde
Eine private Yacht mit kleiner Crew sollte die Sprengung vorgenommen haben, ohne dass Polen oder die Ukraine als Staaten darin verwickelt wären. Hersh kann sich nicht genug über dieses „Geisterschiff“ amüsieren: Sogar ihre illegalen Pässe hätte das private Sonderkommando aus Ukrainern und Polen neben einigen Gramm TNT auf dem Boot hinterlassen. Und natürlich sind die professionellen Taucher, ohne die er das Unternehmen nicht für realisierbar hält, ein Kernelement von Hershs Story. Hier ist auch die Beteiligung Norwegens laut Hersh von großer Wichtigkeit, weil die Amerikaner keine intensive Ortskenntnis von der Ostsee besessen hätten und in dieser Hinsicht zumindest auf norwegische Einweisung angewiesen waren. Nebenbei hat Hersh im Gespräch mit TE aber einen Teil des norwegischen Anteils an der Operation in Klammern gesetzt: Eventuell gehörte die P8-Maschine nicht zur norwegischen Marine, sondern war ein US-Flugzeug, das aber in Norwegen stationiert gewesen wäre.
Bloßgestellt sind aus Hershs Sicht vor allem Biden und die US-Regierung, die durch die Attacke den Zusammenhalt im westlichen Bündnis riskiert hätten, ganz abgesehen davon, dass sie die deutschen Bürger ihres Wohlstands und eines günstigen Wärme- und Energielieferanten beraubten. „Dumm und verrückt“ (stupid and crazy) sei diese ganze Politik, so Hersh.
Und dann ist da noch Putin, den Hersh zwar eher als Scholz, als klugen Politiker beschreibt, welcher aber einem „phantasmagorischen Traum von Russland“ anhänge, der ihn den ersten größeren Krieg in Europa seit 70 Jahren auslösen ließ. Es kommt niemand ungeschoren davon in diesem kritischen Investigativjournalismus Hershs, der sich natürlich strikt auf vertraulich zu behandelnde, anonym bleibende Quellen beruft.
Die längerfristige Transformation der europäischen Wirtschaft
Seymour Hersh ist sich sicher, dass Biden noch starken Gegenwind ernten wird für das, was er – laut Hershs anonymer Quelle – im letzten September vor Bornholm in Auftrag gab. Man kann hier natürlich eine Linie zu Scholz und anderen ziehen, deren Namen Hersh an der Stelle nicht im selben Maße nennt. Die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines ist gerade dabei, Europa und seine Wirtschaftslandschaft neu zu formen. Vom einstigen Überfluss an Gas ist nichts mehr geblieben. Energieintensive Industrien und solche, die Gas als Rohstoff benötigen, werden in einen Ruin auf Raten gezwungen. Und dann ist da noch die Frage nach dem kommenden Winter, in dem Privatleute ihre Gasthermen anwerfen wollen und auf der Suche nach einem bezahlbaren Heizstoff sind.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Tichys Einblick.
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