Andrij Melnyk: Diplomat oder ukrainischer Nationalist?

Streitbar oder dreist? Andrij Melnyk spaltet mit seiner Rhetorik die Gemüter
© ABBAS MOMANI / AFP

Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, fällt medial durch seine wiederholt aggressive und der Situation nicht angemessene, undiplomatische Kommunikation gegenüber Deutschland und seiner Regierung auf. Hätte sich ein Präsident Trump derart geäußert, wäre es weltweit als Beleidigung des Gastlandes und als Kriegsrhetorik skandalisiert worden. Ohne Rücksicht auf die Gefahr eines Weltkriegs fordert er schweres Militärgerät und brüskiert auch andere westliche Regierungen. Dabei hat er selbst kaum Berührungsängste mit nationalistischen und häufig auch judenfeindlichen Akteuren der Ukraine. Besonders vor dem Hintergrund der entsetzlich leidenden Frauen und Kinder und ohne die Verantwortung der russischen Führung klein zu reden, darf nicht übersehen werden: Melnyk bekennt sich zum ultrarechten Asow-Regiment und bezeichnet den NS-Kollaborateur und den an Judenmorden beteiligten Stepan Bandera als einen „ukrainischen Helden“. (JR)

Von Vincent Steinkohl

Dass Deutschland seit 2014 der größte staatliche Geldgeber der Ukraine ist, gerät schnell in Vergessenheit, wenn man sich die Statements des ukrainischen Botschafters zu Gemüte führt, denn Andrij Melnyk ist kein Freund der deutschen Außenpolitik. So warf er der SPD unter anderem „Putin-freundliche Politik“ vor, „die den barbarischen Vernichtungskrieg gegen den Staat, Nation, Kultur, gegen Frauen und Kinder erst herbeigeführt“ habe. Für einen hochrangigen Diplomaten mit langjähriger Berufserfahrung leistet er sich erstaunlich oft Entgleisungen, welche kultivierte Zeitgenossen eher am Stammtisch einer Dorfkneipe, als in Regierungsgemäuern vermuten würden. Den langjährigen Merkel-Berater Erich Vad nannte er einen „erbärmlichen Loser“, der „vom Krieg keine Ahnung hat“.

Der international angesehene Militärexperte Vad hatte vor einem Weltkrieg gewarnt, sollte Deutschland Waffen an die Ukraine liefern.

Dass es für eine alternde und seit Jahren militärisch abrüstende Industrienation wie Deutschland unmöglich ist, über Nacht schwere Rüstung zu liefern, interessiert die ukrainische Diplomatie scheinbar nicht.

„Wir fordern die Bundesregierung auf, in dieser entscheidenden Frage mit offenen Karten zu spielen und nicht um den heißen Brei herumreden", so Melnyk. "Jede weitere unnötige Verzögerung kostet weitere Menschenleben.“ Im ZDF-heute Journal hatte er beklagt, nicht ausreichend beschenkt worden zu sein: „Die Waffen, die wir brauchen, die sind nicht auf dieser Liste.“. Zudem fordert Melnyk ein deutsches Gas- Embargo gegen Russland, ungeachtet der möglichen Folgen für die deutsche Wirtschaft und ignorierend, dass die Ukraine selbst bis heute Gasgeschäfte mit Moskau abwickelt. Die Rhetorik Melnyks erinnert weniger an einen Diplomaten mit kühlem Kopf im Angesicht der Krise, als an ein verzogenes Kind, dass sich beschwert, wenn es zum Geburtstag „nur“ das iPhone7 bekommt.

Ginge es nach ihm, wäre die Ukraine trotz eines ernüchternden Platz 122 im internationalen Korruptionsindex, umgeben von Staaten wie Sambia und Mexiko, auf bestem Wege gen EU-Mitgliedschaft.

„Will die Ampel diese Ukrainer in der europäischen Familie als künftiges EU-Mitglied willkommen heißen? Oder ist es der Bundesregierung lieber, wenn die Ukraine eine Pufferzone zwischen der EU und Russland bleibt?“. Steinmeier unterstellte er erneut „mangelndes Feingefühl“.

 

Die zynische Nazi-Keule

Auch bei grotesken Nazi-Vergleichen gegenüber der deutschen Politik sieht Melnyk keine rote Linie erreicht. Dem ehemaligen Chefinspekteur der Marine, Kay-Achim Schönbach, welcher für die Übergabe der von russischen Separatisten besetzten Gebiete in der Ostukraine an Russland und einen beidseitigen Waffenstillstand plädiert hatte, attestierte er eine „herablassende Attitüde“ gegenüber der Ukraine, durch welche sich seine Landsleute an „die Schrecken der Nazi-Besatzung erinnert“ fühlten, „als die Ukrainer als Untermenschen behandelt wurden.“

Große Worte von einem Mann, der vor einigen Jahren das Grab des NS-Kollaborateurs Stepan Bandera besucht hatte und welcher bis heute das Asow- Regiment lobpreist.

 

Bandera und das Asow- Regiment

Stepan Bandera, dessen Grab Melnyk besucht hatte, wurde 1909 im damals zu Österreich- Ungarn gehörenden Staryj Uhryniw geboren und gilt als NS-Kriegsverbrecher.

1934 wurde er wegen des Vorwurfs der Ermordung des polnischen Innenministers Bronisław Pieracki verurteilt, kam aber nach Beginn des Zweiten Weltkrieges frei. Er kooperierte mit der Wehrmacht, die ihm unterstellten Milizen übernahmen nach dem Überfall der Deutschen in Lwiw teilweise sogar die Polizeigewalt. Banderas Schergen waren für ihre Verhaftungen und Massenerschießungen gefürchtet. Ethnische Russen und Juden wurden auf Banderas Befehl hin terrorisiert und ermordet, die Ukraine war eine Hochburg des Antisemitismus und Rassismus.

Der vermeintliche Bruch mit den Nazis von Seiten Banderas vollzog sich nicht auf Grundlage weltanschaulicher Einsicht, sondern wegen Machtpolitik. Nachdem seine Gefolgsleute einen unabhängigen Staat ausgerufen hatten, wurde Bandera im KZ Sachsenhausen unter verbesserten Bedingungen als „Ehrenhäftling“ gehalten.

Nach dem Krieg floh Bandera nach Deutschland, zeitgleich wurde er in der Sowjetunion in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Er wurde 1959 in München von einem KGB-Agenten vor seiner Haustür erschossen.

Dieser vielen Deutschen kaum geläufige Mann wird vom Gros der Historiker als NS-Kollaborateur und Kriegsverbrecher gesehen.

Nicht so in weiten Teilen der Westukraine: Dort verehren ihn viele bis heute als Helden im Kampf für eine freie Ukraine. Denkmäler, Statuen, Museen und Straßennamen bezeugen seine Beliebtheit, die in der Westukraine sehr aktive rechtsextreme „Freiheitspartei“ bekennt sich offen zu ihm.

Anfang 2010 verlieh der damalige Präsident Juschtschenko Bandera post mortem den Ehrentitel „Held der Ukraine“, unterstützt durch die damalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko.

Die polnische und russische Regierung sowie einige andere Institutionen hatten gegen diese Ehrung protestiert, auch die EU formulierte die Hoffnung, der neue Präsident der Ukraine möge den Erlass revidieren.

Bereits Im März 2010 war der Spuk vorbei, denn der neue Präsident, Wiktor Janukowytsch, kündigte an, dass Juschtschenkos Erlass außer Kraft gesetzt werde.

Im Jahr 2016 wurde per Beschluss des Stadtparlaments das Kiewer Moskauer Prospekt in „Stepan-Bandera-Prospekt“ umbenannt, dies wurde in Russland als Affront aufgenommen.

Beim Regiment Asow handelt es sich um ein Freiwilligenbataillon, welches seit 2014 besteht und es sich zur Aufgabe gemacht hat, im Landesosten gegen prorussische Separatisten zu kämpfen. Diese nachvollziehbare Mission wird seit jeher getrübt, da viele Asow-Kämpfer äußerst fragwürdige Positionen vertreten. Die bei Neonazis weltweit beliebte „Schwarze Sonne“ wurde 2015 als offizielles Logo aufgegeben, von der hierzulande ebenso verbotenen Wolfsangel in leicht modifizierter Ausführung trennte man sich aber nicht. Laut dem Thüringer Verfassungsschutz wird die Auslandsaktivität und Propagandaarbeit der Einheit, sowie deren globale Vernetzung mit militanten Neonazis, mit Sorge beäugt.

Allein die selbstgewählte Symbolik der Einheit lässt vermuten, dass es sich bei den Verantwortlichen des Regiments um Neonazis handelt. Neonazis per definitionem, keine Bürger, die Gendersprache ablehnen und Fleisch essen, wohl gemerkt.

Zwar verzichtet man seitens Asows heutzutage weitestgehend auf pompös vorgetragene Verwendung rechtsextremer Symbolik, nimmt auch russisch,- und jüdisch stämmige Freiwillige auf und kämpft unter einem jüdischen Präsidenten, dennoch ziehen sich rassistisch motivierte Gräueltaten durch die Geschichte der Einheit: 2018 hatten junge Männer der „Misanthropic Division“, welche in das Asow-Regiment eingegliedert ist, einen Anschlag auf eine Roma-Siedlung in Lwiw verübt. Im Zuge dessen wurde ein Mann erstochen und drei weitere Personen verletzt, darunter ein zehnjähriger Junge. Für diesen Fall interessierte sich damals auch das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte. Rassistisch motivierte Attacken dieser Art passieren seit Bestehen der Einheit regelmäßig, die Aufklärungsrate bei derartigen Vorfällen ist so gering, dass man der ukrainischen Justiz einen Unwillen unterstellen muss, diese Verbrechen überhaupt aufzuklären und zu sühnen.

 

Fazit

Niemand, der bei klarem Verstand ist, rechtfertigt die russische Invasion der Ukraine. Nichts, absolut nichts rechtfertigt einen Angriffskrieg. Dennoch: Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen und dem ukrainischen Umgang mit der Person Bandera, sowie den ständigen Berichten über Gräueltaten an russischen Zivilisten, auch vor der Invasion, erscheinen Selenskyj und Melnyk nicht so heilig, wie kriegshungrige Geostrategen sie gerne hätten.

Wie fast jeder Konflikt, ist auch dieser zu komplex, als dass pauschale Gut/Böse-Urteile ihm gerecht würden.

Zum Preis der eigenen Sicherheit muss kein Land der Welt ein anderes verteidigen. Selenskyj, Melnyk und Konsorten haben von Europa nichts zu fordern. Sie können höflich um Hilfe bitten und Europa kann entscheiden, ob es zusagt oder nicht.

Es ist Zeit, sich von der Vorstellung zu verabschieden, der Westen könne mittels politischen Drucks den allgemeinen Frieden waren.

Was zwischen Russland und der Ukraine passiert, liegt nicht im Einflussbereich Deutschlands, völlig egal, wer aktuell regiert.

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