Wein aus Israel: Von der biblischen Tradition zum wettbewerbsfähigen Qualitätsprodukt
Lange war der Wein aus dem jüdischen Staat verkannt – doch nun findet er immer mehr Anerkennung
Weinkellerei in Israel
Der Wein erfreue des Menschen Herz.
(Psalm 104,15)
Während Wein aus der Neuen Welt seit über zwei Jahrzehnten in den Lebensmittelmärkten angeboten wird – gemeint sind die Herkunftsländer Chile, Argentinien, Australien, Kalifornien – ist Qualitätswein aus einem Kernland der Alten Welt, Israel, hierzulande noch wenig bekannt. Das liegt nicht zuletzt an der geringen Rebfläche von rund 7.000 Hektar (zum Vergleich: die Weinanbaufläche in Franken beläuft sich im Jahre 2021 auf 6.304 Hektar), die zur Hälfte zum Anbau von Tafeltrauben dient.
Weinprobe auf dem Golan
Der Verfasser besuchte im Januar 2020 ein Weingut auf den relativ niederschlagsreichen, durch Vulkanböden gekennzeichneten Golanhöhen. Es war möglich, ohne Anmeldung zu erscheinen, fünf verschiedene Sorten zu probieren und in der Produktionshalle zu fotografieren.
Die Weißweine der Sorten Chardonnay und Sauvignon Blanc waren schmackhaft. Und die Roten?
Der eine war ein sehr überzeugender Malbec, der den besten argentinischen Gewächsen in nichts nachstand.
Über den anderen, Hermon Cabernet Sauvignon (Hersteller: Golan Heights Winery), Jahrgang 2017, schrieb die Fachzeitschrift „Falstaff“ am 26. November 2019:
„Mittleres Karmingranat, Ockerreflexe, breitere Randaufhellung. Mit einem Hauch von Nougat unterlegtes rotes Waldbeerkonfit, frische Orangenzesten. Mittlere Komplexität, rote Beerenfrucht, dezente Tannine, frisch und mit feiner Schokoladenote im Abgang ausgestattet, schlanker, aber zugänglicher Stil“.
Beide sind koscher. Was genau heißt das?
„Hier liegt das Hauptaugenmerk auf einer besonders gepflegten Hygiene. Um koscheren Wein zu produzieren, muss der Weinberg mindestens vier Jahre alt sein. Aus Trauben, die aus einem jüngeren Weinberg stammen, ist es verboten, Wein herzustellen. In der zur Herstellung von koscherem Wein bewirtschafteten Rebfläche dürfen keine zusätzlichen Pflanzen angebaut werden, d.h. jegliche Formen von Mischkulturen sind verboten und die Reben müssen sich organisch regenerieren. Außerdem darf zwei Monate vor der Ernte keine organische Düngung mehr vorgenommen werden und eine weitere Regel, die den Weinberg betrifft, lautet, dass im siebten Jahr (Sabbatjahr) keine Trauben geerntet werden dürfen. Alle Maschinen und Gegenstände, die für die Ernte oder die zur Herstellung des Weines benötigt werden, müssen unter der Aufsicht eines Rabbis sehr gründlich gesäubert werden. Der Einsatz von Enzymen und Bakterien ist verboten, nur an der Traube natürlich vorkommende Wildhefen dürfen die Fermentation in Gang bringen. Hinzu kommt noch, dass sich die Gärung in einem rostfreien Edelstahltank vollziehen muss. Zur anschließenden Schönung ist einzig und allein das Tonmineral Bentonit erlaubt und zu der darauffolgenden Filtration sind nur Papierfilter zulässig. Weinflaschen dürfen nur einmal für die Abfüllung verwendet werden. Grundsätzlich handelt es sich um die wohl strengste vorstellbare Lebensmittelkontrolle, da der Wein vom Zeitpunkt der Lese bis zum zweifachen Verschließen auf der Flasche der Kontrolle eines qualifizierten Rabbinats unterliegt. Alle Arbeitsgänge müssen in Übereinstimmung mit den sonstigen Geboten der Halacha (jüd. Religionsgesetz) ausgeführt werden, am Schabbat darf nicht gearbeitet werden und die Vinifizierung dürfen nur Personen durchführen, die den Schabbat ehren und einhalten. Die letzte Regel verlangt, 1 % der Weinerzeugung zugunsten der Armen abzugeben. Durch die strikte Ablehnung tierischer Weinbehandlungsstoffe sind diese Weine auch für Vegetarier und sogar Veganer zu empfehlen“ (www.rheinhessen.de/koscherer-wein).
38 Prozent der Rebflächen liegen in Galiläa, 34 Prozent in Samson, der zentralen Küstenebene. Weitere Anbaugebiete sind Samaria, Judäa und (ferner) die Negev-Wüste.
Insgesamt existieren mehr als 200 Weingüter sehr unterschiedlicher Größe. Die Jahresproduktion beläuft sich auf insgesamt 36 Millionen Flaschen Wein.
Auch in israelischen Lebensmittelläden in Deutschland gehört guter Wein zum Sortiment. Der Kauf zweier Dreiviertelliter-Flaschen in Frankfurt zu einem günstigen Preis bestätigte den vorzüglichen Eindruck auf dem Golan.
Geschichte des Weinbaus in der Levante
Die Winzertradition im Heiligen Land reicht ungefähr 7.000 Jahre zurück. Andere Forscher vermuten seine Anfänge noch früher: auf den Golanhöhen vor 8.000 bis 10.000 Jahren. In der Bibel wird der Weinanbau dementsprechend bereits in Gen 9,20 erwähnt: Noah wurde der erste Ackerbauer und bepflanzte einen Weinberg. Der Rebstock sei eine der sieben gesegneten Pflanzen Gottes (Mos 5, 8). An mehreren Stellen wird zu einem maßvollen Weingenuss und korrektem Benehmen der Trinkenden gemahnt (u.a Jesus Sirach, 9,9 und 9,25-30). Der betrunkene Noah machte sich lächerlich und verfluchte seinen Enkel Kanaan sowie dessen Nachkommen (Gen 9,21-27). Trunkenbolde werden nicht in das Paradies einziehen (1. Kor 6,10). Das Wort „Wein“ taucht in der Heiligen Schrift hunderte Male auf, einschließlich „Weinberg“, „Weinstock“, „Weinpresse“ u.ä.
Wie der Wein in biblischen Zeiten schmeckte, lässt sich (natürlich) nicht mehr genau rekonstruieren. Möglicherweise wurde er, wie im Römischen Reich, mit Kräutern oder Honig aromatisiert. Ebenso kann angenommen werden, dass der Rebensaft verdünnt wurde, wie in Griechenland.
Der Islam machte dem Weinanbau ein Ende
Die islamische Eroberung in den Jahren 635-637 bedeutete das Ende des Weinbaus. Demgegenüber lebte er in den Kreuzfahrerstaaten unter christlichen Vorzeichen wieder auf, um mit ihrem Untergang erneut zu enden.
Erst ab 1882 gelang dank Edmond James de Rothschild (1845-1934) während der ersten jüdischen Einwanderungswelle die Wiedereinführung, denn der Wein gehört zur jüdischen Religion. Auf deren Zeremonien blieb sein Konsum rund einhundert Jahre lang beschränkt. Seit den frühen 1980er Jahren bringt Israel Qualitätsweine hervor, von denen viele auch im internationalen Vergleich bestehen können. Ein Teil des koscheren Weins geht in den Export nach Nordamerika und Westeuropa, um strenggläubige jüdische Gemeinden zu beliefern. Im Übrigen wird auch nicht-koscherer Wein erzeugt.
In Israel selbst liegt der Pro-Kopf-Verbrauch bei wenigen Litern im Jahr, was sicher mit den hohen Lebenshaltungskosten zu tun hat.
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