Lebendes Judentum in Berlin - Eine kleine Reise durch Kultur und Kulinarik

Das Jüdische Museum Berlin ist immer einen Besuch wert. © NIKOLAS KOKOVLIS NurPhoto NurPhoto via AFP
Vor der Shoah galt Berlin als inoffizielle jüdische Hauptstadt Deutschlands. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg ist jüdisches Leben wieder nach Berlin zurückgekehrt. Trotz aller antisemitischen Angriffe, die fast durchweg von fahrlässig und suizidal importierter muslimischer Seite ausgehen, hat die Hauptstadt die größte jüdische Population in Deutschland. Manchmal wirkt die Stadt wie eine Trotzreaktion auf die dunkle Geschichte. JR-Autor Julian M. Plutz nimmt in diesem Artikel die Leser mit in die jüdischen Restaurants und Kulturszene und beschreibt die Atmosphäre der lebendigen jüdischen Kultur in Berlin. (JR)
Vor der Shoah galt Berlin als inoffizielle jüdische Hauptstadt Deutschlands. Manchmal wirkt es wie ein kleines Wunder, dass sich nach 1945 überhaupt noch Juden in der deutschen Hauptstadt niederließen. Denn es war die Wannseekonferenz bei Berlin, die 1942 die sogenannte „Endlösung der Judenfrage“ beschloss und statt Erschießungen künftig vor allem Gaskammern einsetzte, um die Distanz zwischen Täter und Opfer zu vergrößern und etwaige psychische Beeinträchtigungen der Nazis zu verhindern.
Heute, 2024, pulsiert im „Dicken B“ jüdisches Leben, trotz aller antisemitischen Angriffe, die in Berlin an der Tagesordnung sind. Manchmal wirkt die Stadt wie eine Trotzreaktion auf die dunkle Geschichte; wie ein „Jetzt erst recht“, das trotz aller Gefahren, die zunehmend von radikalen Muslimen ausgehen, ihr Leben in der Heimat nicht verdrängen lassen will.
Gutes Essen ist nicht alles: Aber verdammt viel
Essen spielt eine zentrale Rolle in jeder Kultur, nicht nur für den Autor, sondern auch für das Judentum. Die Stadt bietet eine bemerkenswerte Vielfalt an jüdischen Restaurants, die alles von klassischem Gänseschmalz und Hummus bis zu modernen Interpretationen traditioneller Rezepte servieren. Der Zugang zu fremder Kultur erfolgt oft durch das Essen.
In Charlottenburg befindet sich beispielsweise das „Beth Café“, was so viel wie „Kaffeehaus“ bedeutet. Neben dem schwarzen, koffeinhaltigen Getränk darf sich der Gast auf hausgemachte Kuchen und Bagels freuen. Das kleine, gemütliche Lokal gehört der Israelitischen Synagogen-Gemeinde Adass Jisroel zu Berlin in der Tucholskystraße. Es zieht sowohl jüdische als auch nicht-jüdische Berliner an, die gerne Kuchen essen und auch die Sehnsucht nach ein wenig Ruhe in einem zunehmend hektischen Alltag verspüren. Gerade in diesen Monaten, die eine fast einzigartige Schnelligkeit der hiesigen Medienlage aufweisen, scheint es wichtiger denn je, mit sich und seinem Umfeld im Reinen zu sein.
Wer Lust auf etwas Deftiges verspürt und sich im kulissenhaften Stadtteil Prenzlauer Berg wohlfühlt, der dürfte sich im „Mazel Topf“ gut aufgehoben fühlen. Von gefüllten Fischen bis zu Harissa-Fleischbällchen, vielen verschiedenen Salaten und immer wieder Ziegenkäse findet sich für jeden etwas, der gerne satt werden möchte. Neuerdings wird auch Frühstück angeboten, das dieser Autor beim nächsten Berlin-Aufenthalt definitiv in Anspruch nehmen wird. Der Mittagstisch verspricht ausgewählte Gerichte zu einem fairen Preis. Prädikat: Empfehlenswert.
„Die Kunden von Hummus & Friends können dabei zusehen, wie alles frisch zubereitet und schnell serviert wird. Hummus & Friends stellt die Lust am gesunden Essen ebenso in den Mittelpunkt wie die notwendige Entspannung seiner Kunden. Hummus & Friends möchte Sie in eine entschleunigte Welt entführen – wo man auch mit bloßen Händen mit Genuss isst,“ heißt es auf der Internetpräsenz des israelischen Restaurants in der Oranienstraße selbstbewusst. Und in der Tat: Wer einmal auf Fleisch verzichten kann – man soll ja nicht so viel davon essen, sagt der Doktor –, ist bei „Hummus & Friends“ goldrichtig. Hier gibt es Ful, ein Gericht mit wenigen Kalorien, dafür umso mehr Eiweiß. Wer also auf die Figur achten muss oder einen Fleischersatz sucht, wird mit Ful gut bedient. Daneben darf man sich auf Tahina freuen, eine Paste aus ungeschälten, zermahlenen Sesamkörnern mit viel Knoblauch, oder auf Quinoa, ein Gänsefußgewächs, das es schon seit einigen Jahren in die deutschen vegetarischen Stuben geschafft hat.
Theater und Bildung: Orte der Tradition und der Innovation
Neben dem guten Essen, ein unverzichtbares Element des guten Lebens, hat Berlin auch jüdische Theater zu bieten. Am besten kann man ja beides kombinieren: sich zunächst auf hohem Niveau den Bauch vollschlagen und dann ab ins Deutsch-Jüdische Theater am Hohenzollerndamm. Seit dem Jahr 1994 befindet sich die Off-Bühne im Gebäude des Bürgeramtes in Charlottenburg/Wilmersdorf. Das Deutsch-Jüdische Theater führt die ideelle Arbeit des ehemaligen jüdischen Theaters „Bimah“ in der Meinekestraße fort, das in den 1980er Jahren gegründet wurde und immer wieder mit finanziellen Problemen zu kämpfen hatte. Aktuell wird „Bessessen! - Der Dibbuk“ aufgeführt, das auf das jüdische Märchen von Salomon An-Ski zurückgeht, das den Geist des Todes, den Dibbuk, beschreibt.
Weniger besessen, dafür umso faktischer ist das jüdische Bildungsangebot in der Bundeshauptstadt. Der positive Bezug zu Bildung im Judentum ist bekannt, und neben dem existenziellen Faktum des Wissens bieten die Einrichtungen auch die Chance, Traditionen und Werte der Gemeinschaft nicht nur zu bewahren, sondern weiterzugeben.
Die Heinz-Galinski-Schule in Charlottenburg ist eine der wichtigsten jüdischen Bildungseinrichtungen der Stadt. Die staatlich anerkannte private Ganztagsschule bietet Klassen bis zur sechsten Jahrgangsstufe an. Träger der Schule ist die Jüdische Gemeinde in Berlin. Aktuell werden rund 270 Schüler in 17 Klassen unterrichtet. Jüdische Kinder, aber auch Kinder anderer Konfessionen oder gar keiner Konfession besuchen die Schule. Hier lernen die Kinder nicht nur die deutsche Sprache und Kultur, sondern auch Hebräisch und die Geschichte des Judentums. Die Schule versteht sich als Ort, an dem jüdische Identität in einer pluralistischen Gesellschaft gefördert wird. Gerade in Zeiten des grassierenden Antisemitismus sind solche Räume für Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren elementar.
Für ältere Schüler, die sich für das Gymnasium qualifiziert haben, bietet das Jüdische Gymnasium Moses Mendelssohn Platz und Raum. Laut Aussagen ehemaliger Absolventen scheint das Niveau höher zu sein als in anderen Berliner Schulen. Wie hoch das Bildungsniveau im Vergleich zum Abitur beispielsweise in Bayern ist, darf trefflich spekuliert werden. Denn Berlin schneidet in den PISA-Studien regelmäßig katastrophal ab. Aber immerhin steht das Gymnasium in Berlin-Mitte für gemeinsames Lernen von Juden und Nichtjuden. Einer der bekannten Absolventen des Gymnasiums ist übrigens der Schriftsteller Max Czollek, der mit seiner nicht unumstrittenen Interpretation der Erinnerungskultur für Debatten gesorgt hat.
L‘Chaim!
Neben diesen formalen Bildungseinrichtungen gibt es auch Angebote für Erwachsene. Die „Jüdische Volkshochschule“ zum Beispiel bietet ähnlich wie das Pendant in München Kurse in jüdischer Geschichte, Kultur und Religion an, für die, die sich dafür interessieren. Vom renommierten ETA Hoffmann Orchester bis zur Autorin Mirna Funk, einer ausgewiesenen Kritikerin der MeToo-Bewegung, konnte die Volkshochschule in der Vergangenheit namhafte Events anbieten. Möge dies auch in Zukunft so weitergehen.
Trotz der Shoah oder der Shoah zum Trotz trotzen Juden dem antisemitischen Zeitgeist in Berlin. Dies ist kein Hoffnungsschimmer, sondern Grund genug, ob Kultur, Bildung oder Kulinarik, den Bestrebungen Respekt zu zollen. Doch das Wichtigste, machen wir uns nichts vor, bleibt das Essen. In der Münsterschen Straße in Wilmersdorf öffnete vor einiger Zeit das Restaurant „L‘Chaim“. Wer Spareribs vom Kalb noch nicht gegessen hat oder sehr gerne Lachs in Teriyaki-Soße verspeist, sollte dies beim nächsten Besuch in Berlin nachholen. Denn nicht nur Liebe geht durch den Magen, sondern auch Frieden, Geborgenheit und Lebensfreude. Bei einem Glas Rotwein – oder zwei, oder drei – und einem formidablen Gericht wird diese Welt, zumindest für den Moment, ein schöner Ort. Na dann: L‘Chaim!
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