Podiumsdiskussion über „Islamophobie“ in Wien

Wie der Kampfbegriff der Islamophobie benutzt wird, um Mahner gegen islamische Intoleranz und Rassismus selbst als „Rassisten“ zu markieren.

Auch der französische Autor und Philosoph Pascal Bruckner nahm am Podiumsgespräch teil.
© Mariusz Kubik, WIKIPEDIA

Von Karl Pfeifer

In der Regel ist es in Österreich üblich einer Regierung 100 Tage Einarbeitungszeit zu lassen, bevor die Kritik der Medien einsetzt. Im Falle der gegenwärtigen konservativ-grünen Koalition fällt auf, dass ausgerechnet in linksliberalen Medien kein gutes Haar an den Grünen gelassen wird. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten ihre Prinzipien verraten, um an der Macht teilzuhaben. Zum Beispiel wird erwähnt, dass diese Regierung sich für „die Ausweitung des bestehenden Kopftuchverbots auf Schülerinnen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (Erreichen der Religionsmündigkeit)“ einsetzt, und somit gegen ein angeblich „religiöses Symbol“ vorgeht.

Tatsächlich widmet die Regierung der Integration viel Aufmerksamkeit. In erster Linie ist es Aufgabe des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) der Republik Österreich Verantwortungsträger im Bereich Integration und Migration zu sein. Der ÖIF bietet in allen Landeshauptstädten Integrationsmaßnahmen für Schutzberechtigte sowie Zuwanderer an, und informiert über aktuelle Entwicklungen im Bereich Integration und Migration. Im Regierungsprogramm wurde u.a. beschlossen „Gemeinsame Schwerpunktsetzungen und Initiativen im Wissenschafts- und Veranstaltungsbereich“ zu verstärken.

Schon bisher hat der ÖIF bemerkenswerte Aktivitäten entfaltet. So wurde im Dezember 2019 eine vom Soziologen Kenan Güngor geleitete Untersuchung über junge Menschen mit muslimischer Prägung in Wien veröffentlicht.

Diese Studie zeigt den Ist-Zustand, der sowohl positive als auch negative Elemente beinhaltet.

So werden Homosexuelle, Juden und Frauen „von jungen Menschen mit afghanischen, syrischen, tschetschenischen, türkischen und bosnischen Migrationshintergrund“ häufiger abgewertet als von jungen Kurden oder jungen Menschen ohne Migrationshintergrund.

Podiumsgespräche wie „Islam und Integration an Schulen“ sind ein Beitrag, um Probleme, die manche Politiker gerne unter den Teppich kehren wollen, einer Lösung näher zu bringen.

Im Februar 2020 fand im Weltmuseum-Forum am Heldenplatz ein prominent besetztes Podiumsgespräch über „Islamophobie“ – Ein Begriff in der Kritik statt. Vertreter der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) hatten die Einladung leider nicht wahrgenommen. Moderator Köksal Baltaci, Journalist der Tageszeitung „Die Presse“ versprach zu versuchen auch deren Standpunkt zu vertreten.

Am Podiumsgespräch nahmen teil: der bekannte französische Autor und Philosoph Pascal Bruckner, der englisch sprach, die Politikwissenschaftlern und Autorin Nina Scholz, die 2001 den endemischen Antisemitismus in Wiener Pfarrblättern in der Zwischenkriegszeit untersuchte und seither einige Bücher veröffentlichte – zuletzt 2019 gemeinsam mit dem Historiker Heiko Heinisch „Alles für Allah – Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert“ –, und der ehemalige österreichische Botschafter in Dakar und Tunis, Gerhard Weinberger, dessen Buch „Mit dem Koran ist kein Staat zu machen: Die Krise des Islam hautnah erlebt“ sich mit den Folgen des Arabischen Frühlings in Tunesien und mit dem islamistischen Terror auseinandersetzt.

Der Begriff entstand 1910

Bruckner wies daraufhin, dass bereits 1910 ein Mitarbeiter des Kolonialministeriums den Begriff „Islamophobie“ prägte. Erst 1988, während der muslimischen Kampagne gegen Salman Rushdie, die in einer Fatwa gipfelte, dass Rushdie getötet werden müsse, wurde dieser Begriff wieder benützt.

In Frankreich wurde das Gesetz gegen Blasphemie bereits 1792 aufgehoben, und so ist es auch möglich, dass ein französischer Schriftsteller behaupten kann, Jesus wäre ein passiver Homosexueller gewesen u.ä.m. Hingegen ist jede Kritik am Islam verpönt, wie es die Kampagne gegen die 16-jährige Schülerin Mila zeigt, die von der Justizministerin gerügt wurde. Bruckner beklagte den doppelten Standard.

Der Vorwurf der Islamophobie wird vor allem dazu verwendet, um sachliche Kritik an problematischen Entwicklungen im Islam zu diskreditieren: „Anstatt sich mit dem Inhalt der vielfach berechtigten Kritik auseinanderzusetzen, wird den Kritikern eine antimuslimische Grundhaltung unterstellt. Wir dürfen uns niemals mit dem Vorwurf der Islamophobie unter Druck setzen und erpressen lassen – einem Wort, das erfunden wurde, um die Kritiker einer Religion mundtot zu machen.“

Bruckner betonte dabei, dass berechtigte Kritik am politischen Islam keinen Generalverdacht gegen Muslim/innen bedeuten dürfe: „Als Gesellschaft müssen wir unterscheiden - zwischen moderaten, liberalen Muslimen und radikalen. Und wir müssen aufgeklärte Prediger, Imame und Intellektuelle dabei unterstützen, den Koran differenziert zu interpretieren.“

Nina Scholz kritisierte Pauschalurteile gegen „den Islam“ den es so nicht gebe, denn da gebe es distinktive Merkmale und verschiedene Kulturen. Es gibt natürlich Muslimfeindschaft, es gibt aber keine Kapitalismus- oder Kommunismusphobie und so ist auch Islamophobie untauglich: „Der Begriff subsumiert jegliche Kritik am Islam und ist damit für eine konstruktive Auseinandersetzung nicht brauchbar, weil er auch berechtigte Kritik an bestimmten Regeln und Praktiken mit antimuslimischen Ressentiments gleichsetzt.“ Scholz betont, dass dies ein gezieltes Mittel des politischen Islam sei, Reformen durch liberale Muslime zu verhindern: „Der politische Islam strebt danach, die muslimische Gemeinschaft in Europa zu vereinnahmen. Dabei werden Reformideen oder berechtigte Kritik sofort pauschal als ‚islamophob‘ abgetan.“ Liberale Gesellschaften in Europa müssen die zahlreichen Forderungen des politischen Islam kritisch betrachten: „Jegliche Freiheiten, auch die Religionsfreiheit, sind aus der Verfassung abgeleitet. Die Freiheit des einen darf die eines anderen niemals einschränken. Menschenrechte sind und bleiben die Grundlage für die Bewertung aller Forderungen seitens Religionsgemeinschaften. Wo etwa Frauen und Mädchen darin beschränkt werden, müssen wir klarstellen, dass diese Freiheiten nicht verhandelbar sind.“

Scholz wies auf die Meldungen über Missbrauch in Kirchen hin. Wer aber über den Missbrauch im islamischen Bereich schreibt, der wird sofort beschuldigt islamophob zu sein. Dem österreichischen Politiker Peter Pilz, der den türkischen Präsidenten Erdogan kritisierte, wurde ebenfalls „Islamophobie“ vorgeworfen.

 

Liberale Muslime stärken

Gerhard Weinberger wies lebhaft auf seine Erfahrungen in Tunis hin, auf viereinhalb Krisenjahre, in denen der Terror gewütet hat, und bemerkte, dass der Begriff „Islamophobie“ in Tunesien nicht verwendet wird. „Es gibt viele Musliminnen und Muslime, die den Islam reformieren, ‚nach vorne‘ entwickeln und aus den Zwängen von Fundamentalisten befreien möchten. Sie werden jedoch – und das habe ich selbst in Tunesien oftmals erlebt – von Anhängern des politischen Islam daran gehindert und viel mehr noch, unter dem Vorwurf der ‚Islamophobie‘ diskreditiert.“ Weinberger plädiert dafür, eine zukunftsorientierte Debatte über den Islam anzustoßen und vor allem liberale Muslim/innen zu stärken: „Bewegungen, die den Islam weiterentwickeln möchten, sollten immer unterstützt werden. Vor allem Mädchen und junge Frauen profitieren davon; oftmals sind sie diejenigen, die sich in der Enge einer sehr fundamentalistischen Auslegung des Islam nicht frei entwickeln können und versuchen, sich davon zu lösen. Wir müssen ihnen die Chance geben, sich zu befreien, sie fördern und stärken. Dafür müssen wir auch die Eltern in die Pflicht nehmen und ihnen den Wert der individuellen Freiheit in unserer Gesellschaft vermitteln.“

Besonders empört Weinberger, dass die EU eine „Islamophobie“-Studie von Farid Hafez mit 27.000 Euro unterstützt hat.

Die Migrationsforscherin Sandra Kostner analysierte (FAZ, 12. Februar 2020) die Methoden von Hafez und resümiert: Hafez versteckt gezielt hinter postkolonialer Rhetorik seine Agenda. „De facto läuft seine Diagnosemethode daraufhin aus, dass jede Kritik an islamischen Lehren und Praktiken als rassistisch, wahlweise islamophob, klassifiziert werden kann.

So kommt es zu einer Problemverlagerung, die dem politischen Islam Vorschub leistet: Die zu islamophoben Rassisten erklärten Kritiker des politischen Islams erscheinen nun als das eigentliche Problem und nicht mehr diejenigen, die ihn vorantreiben. So ist es nicht verwunderlich, dass Islamisten standardmäßig Rassismusvorwürfe gegen diejenigen erheben, die ihre Agenda durchkreuzen. Politik und Institutionen müssen deshalb genau hinschauen, wie antimuslimischer Rassismus beziehungsweise Islamophobie diagnostiziert und welche Ziele mit der Diagnose verfolgt werden bevor sie Maßnahmen ergreifen oder finanzieren, die zur Diskreditierung notwendiger Religionskritik beitragen. Tun sie dies nicht, untergraben sie das Recht auf freie Meinungsäußerung, blockieren religiöse Reformbestrebungen und unterstützen die freiheitsfeindliche Agenda des politischen Islams.“

Bruckner beobachtet in Frankreich, wie der politische Islam auch einen klaren „Way of Life“ vorgibt, der zu den liberalen Grundwerten des Landes in Widerspruch stehe: „Frankreichs muslimische Gemeinschaft ist die größte in Europa. Für den Großteil ist der Islam aber nicht nur Religion, sondern ihre ganze Identität – mit vielen Regeln, die einem alten kollektivistischen Denken entspringen und der individuellen Freiheit des und der Einzelnen entgegenstehen. Dazu gehört z. B. auch das Tragen von Burka und Kopftuch oder auch Verhaltensregeln, die nur für Mädchen und Frauen gelten.“

Bruckner warnte, dass die Entwicklung von Parallelgesellschaften die größte Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt darstelle: „Wenn sich Muslime in eigenen Vierteln abschotten, wie beispielsweise in den Vororten von Paris, und man als Nicht-Muslim als ‚Fremder‘ angesehen wird, sollten wir – als liberale Gesellschaft – dieses Warnzeichen ernstnehmen.“

Auch außerhalb Frankreichs sollte dies geschehen.

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