Holocaust-Gedenken: Bremen als Hochburg des Israelhasses

Zwischen Linkspartei und BDS-Omas am Dom – die Hansestadt ist zum Tummelplatz für Antisemiten verkommen.

Christine Buchholz, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, steht der BDS-Bewegung nahe.© WIKIPEDIA

Von Dr. Marcus Ermler (Achse des Guten)

Liest man als politisch interessierter Zeitgenosse in einem Bremer Veranstaltungskalender von einem Vortrag am 30. Januar 2020 über das Thema „Der politische Islam in Palästina – am Beispiel der islamistischen Bewegung HAMAS“, könnte man zunächst auf die Idee kommen, es handle sich um eine informative Veranstaltung über die islamistische Terrororganisation, die den Gazastreifen mit eiserner Hand regiert, Israel unter permanentem Raketenbeschuss hält sowie ihre politische Agenda unverdrossen mit Selbstmordattentaten und Messerattacken vorantreibt.

Man wäre also in Erwartung eines Vortrags über ein Herrschaftsprojekt von Antisemiten und Holocaustleugnern, das sich nicht nur auf die „Protokolle der Weisen von Zion“ beruft und dessen Wesensverwandtschaft zum Faschismus Berichte über sein Regime in Gaza mehr als nur nahelegen, sondern das sich in Artikel 7 seiner Charta die Judenvernichtung wie sein historisches Vorbild auch selbst zum Ziel gesetzt hat:

„Die Stunde wird kommen, da die Muslime gegen die Juden solange kämpfen und sie töten, bis sich die Juden hinter Steinen und Bäumen verstecken. Doch die Bäume und Steine werden sprechen: ‚Oh Muslim, oh Diener Allahs, hier ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt. Komm und töte ihn!' Nur der Gharkad-Baum wird dies nicht tun, denn er ist ein Baum der Juden.“

 

Die Hochburg des modernen Antisemitismus

Doch wie die Achgut.com-Leser bereits in meinen Artikeln „Der israelfeindliche Narrensaum der Bremer Linkspartei“ beziehungsweise „Bremen: Mal wieder der Hass auf Israel“ lernen durften, ticken die Uhren im rot-rot-grünen Bremen etwas anders: Antizionismus gehört hier zur Staatsräson. Spätestens mit Eintritt der Linkspartei in die Koalition, in deren Narrensaum sich eine Vielzahl israelfeindlicher Kräfte tummeln. So das Bremer Nahost-Forum, das Bremer Friedensforum, die Antikapitalistische Linke, die SAV, die MLPD oder auch der Hardcore-Antizionist Arn Strohmeyer.

Benjamin Weinthal ging vor bald vier Jahren noch einen Schritt weiter und bezeichnete Bremen im Gespräch mit der „taz“ als „Hochburg des modernen Antisemitismus“. Weiter fand Weinthal „es erschreckend, dass es in Bremen für diese Gruppe von Aktivisten keinen Gegenwind gibt“. In Bremen herrsche ein „Schuld-Abwehr-Antisemitismus“, so ginge es Bremer Aktivisten nicht um Kritik, sondern darum, „Israel abzuschaffen“.

So ist also die Frage erlaubt, welcher Art von Vortrag man denn nun hier erwarten darf. Wer ist also der Redner? Wer sind die Veranstalter? Was ist das Thema? Was der Hintergrund für Veranstaltung und das gewählte Thema? Was hat es mit dem Datum auf sich? Und wo findet der Vortrag statt?

 

Von der „faschistischen“ Regierung Israels

Den Vortrag hält Dr. Raif Hussein, von 2010 bis 2018 Präsident der „Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft“ e.V. (DPG), sowie von 2008 bis 2016 Vorsitzender der „Palästinensischen Gemeinde Deutschland“ (PGD). Hussein, der angibt „als Palästinenser in Israel geboren“ worden zu sein und „bei den letzten Wahlen in Israel den Zusammenschluss der gemeinsamen Palästinensischen Liste“ beraten zu haben, ist eine schillernde Persönlichkeit des deutsch-„palästinensischen“ Anti-Israel-Aktivismus, dessen Tätigkeit überdies vielfach dokumentiert wurde.

Benjamin Weinthal zitierte Hussein im Oktober 2015 in der „Jerusalem Post“ mit den Worten (ins Deutsche übersetzt): „Wir [die PGD, Anm. des Autors] unterstützen einen gewaltfreien Widerstand gegen die Besatzung“, wobei er die Messerattacken gegen Israelis jedoch als „Verzweiflungsakte“ rechtfertigte. Weiter ergänzte Hussein, dass die israelische Regierung „faschistisch“ sei. Anlass für diese Aussagen war eine geplante Demonstration der PGD in Berlin in Solidarität mit der „Dritten Intifada“. Eine Demonstration, die die israelische Botschaft seinerzeit mit den Worten bedachte, dass die PGD nicht nur das Existenzrecht Israels verneine, sondern auch „die fortlaufenden Mordversuche gegen israelische Zivilisten unterstütze“.

Das „Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus“ klärte im Dezember 2015 weiter über Husseins Aktivitäten bezüglich der „Dritten Intifada“ auf. So kündigte Hussein auf der Facebookseite der PGD an, dass „die Homepage der Palästinensischen Gemeinde Deutschland […] beziehungsweise die Facebook-Seite […] eine offizielle dritte Intifada-Seite“ sei. Spricht Hussein vor seinen Anhängern der PGD, wie im August 2014 in Berlin, fallen Worte wie:

„Israel führt einen Vernichtungskrieg gegen das palästinensische Volk. […] Israel hat mit [in] einer freien Welt nichts zu suchen. […] Die Europäer und in erster Linie Deutschland muss sich entscheiden. Gehört es zu der freien Welt? Meinetwegen. Dann muss es auch diese freie Welt gegen einen Eindringling, der faschistisch ist wie Israel, verteidigen und erklären, dass er nicht zu dieser Weltgemeinschaft, zu dieser demokratischen Weltgemeinschaft gehört […] Der palästinensische Widerstand in jeder Hinsicht und in jeder Form ist gerecht.“

 

Israel ein „faschistischer Eindringling“

Hussein führt seine DPG, im Gegensatz zur PGD, immer dann ins Feld, so ein Bericht bei haGalil vom Februar 2017, wenn „das Gesagte in der Regel moderat, der deutschen Mehrheitsgesellschaft zugewandt“ klingen solle. Rede er jedoch „vor seinen palästinensischen Schwestern und Brüdern im Namen der PGD, so sind seine Worte weniger diplomatisch und beschwichtigend“. Denn die PGD verfolge eine ganz andere Agenda, so haGalil weiter:

„Dieser Verein präsentierte in der Vergangenheit auf seinem Facebook-Profil regelmäßig antisemitische Propaganda, zumeist in bebilderter Form. Mal wurden dort die Repräsentanten Israels mit denen des nationalsozialistischen Terrorregimes gleichgesetzt. […] Ein anderes Mal stellte man in plastischer Weise die ISIS als eine Erfindung des israelischen Geheimdienstes dar. [...] Gleich in mehreren Posts machte die PGD deutlich, dass sie Israel als nicht existent betrachtet und somit diesen Staat delegitimiert.“

Vor mehr als 13 Jahren zeichnete eine Presseerklärung der PGD, übrigens mit Hussein als Kontaktperson, bereits deutlich die Marschrichtung vor, wenn es seinerzeit darin hieß, dass „das palästinensische Volk […] sich einer Zerstörungsarmee und einer faschistischen Regierung gegenüber [sieht], die sich zum Ziel gesetzt hat, das palästinensische Volk in die Knie zu zwingen – mit allen nur erdenklichen und brutalen Mitteln.“

Im Gespräch mit dem „Tagesspiegel“ im Oktober 2015 sagte Hussein bezüglich einer Solidaritätsbekundung mit der „Intifada“, die einen Steinewerfer abbildete: „Der Stein gehört zu Palästina wie die Eiche zu Deutschland!“ Die „Jungle World“ ergänzte im Juli 2018, dass Hussein „in einem Interview mit dem Deutschlandfunk anlässlich der sogenannten Messer-Intifada 2015 […] seine Sympathie für die Angriffe“ äußerte, denn, so Hussein weiter, „palästinensische Jugendliche nähmen nun ihr eigenes Schicksal in die Hand“. Ferner habe Hussein auf der „Berlin für Gaza“-Demonstration im Jahr 2014 dazu aufgerufen, „den ganzen Staat Israel zu boykottieren, alle Waren, allen Handel“.

 

„Hamas-Terror als gerechtfertigter ‚Widerstand‘ gegen Israel“

Als Veranstalter finden sich neben Husseins DPG und dem Nahost-Forum Bremen, das für den Vortrag auf seiner Website wirbt, der mit dem „Nahost-Forum“ verwobene „Arbeitskreis Nahost Bremen“; letzterer ist nicht nur der Herausgeber der Website des Nahost-Forums Bremen, sondern, so ein Zitat des Nahost-Forums, ebenso „Mitglied im Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung“, welches wiederum ebenfalls als Veranstalter verzeichnet ist. Weitere Akteure sind das Israelische Komitee gegen Hauszerstörung sowie Kairos Palästina Solidaritätsnetz Gruppe Bremen.

Die DPG ist ein Verein, den das „Jerusalem Center for Public Affairs“ in einem Kapitelabschnitt über die Wurzeln von BDS und Kampagnen zur Delegitimierung Israels in Deutschland als linksextrem, islamistisch und der Muslimbruderschaft zugehörig beschreibt. Ein Verein, der also gerne die „Kauf nicht beim Juden“-Bewegung unterstützt. Und dies, erstens, dadurch begründet, dass „die unterdrückte palästinensische Zivilbevölkerung mit ihrer gewaltfreien BDS-Aktion vorrangig die Beendigung der Besatzung und nicht die Zerstörung des Staates Israel anstreb[e]“. Und, zweitens, erklärt durch:

„Die menschenverachtende Politik der israelischen Regierung und ihrer Militärverwaltung: völkerrechtswidrige Besatzung und Annektierung, Beschlagnahme von Grund und Boden, Bau von völkerrechtswidrigen jüdischen Kolonien, Zerstörung von Häusern, Vertreibung von Einwohnern, nächtliche Razzien, Verhaftungen und Inhaftierung von Kindern.“

Im Beirat der DPG sitzen, nach Bericht von Benjamin Weinthal in der „Jerusalem Post“, Christine Buchholz, eine Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, die die „Hisbollah“ und den „Hamas-Terror als gerechtfertigten ‚Widerstand‘ gegen Israel“ verteidige, sowie Udo Steinbach, der ehemalige Leiter des „Deutschen Orient-Instituts“, der den „palästinensischen ‚Widerstand‘ gegen Israel mit dem Aufstand im Warschauer Ghetto von 1943“ verglichen habe und ferner behaupte, dass „die Israelis die Palästinenser massakrieren“.

 

Wöchentliche „Palästina-Mahnwache“ vor den Bremer Domtreppen

Das Nahost-Forum Bremen unterstützt nicht nur die Israel-Boykottbewegung BDS, sondern propagiert auf seiner Startseite auch die wöchentliche „Palästina-Mahnwache“ vor den Bremer Domtreppen. Mit unzweideutigen Transparenten, wie „Israel ist ein Apartheidstaat“, „Israel raubt den Palästinensern die Lebensgrundlage“ oder auch „Keine Produkte aus israelischen Siedlungen“. Im November 2015 goutierten sie die „Kauf nicht beim Juden“-Inspektionen der BDS-Bewegung in Bremen mit den Worten: „eine Gruppe als ‚EU-Inspekteure‘ mit weißen Kitteln verkleidet, war mit Handwagen, Plakaten und Flugblättern durch die Innenstadt gezogen und hatte zwei der großen Innenstadtgeschäfte ‚inspiziert‘.“

Maßgeblicher Organisator des Bremer Nahost-Forums ist dabei der emeritierte Bremer Professor Sönke Hundt, der überdies auch Mitglied der Linkspartei ist. In einem von ihm unterzeichneten „Offenen Brief“ an die Bundestagsfraktion der Linkspartei vom 17. Mai 2019 legt er die Geisteshaltung des Nahost-Forums offen:

„Sie [die Fraktionen der Linkspartei in Berlin und Brüssel, Anm. des Autors] unterwerfen sich so der brutalen 52-jährigen Besatzungspolitik Israels und der nun einsetzenden Annexionspolitik Netanjahus und Trumps und opfern die legitimen und elementarsten Lebensinteressen der PalästinenserInnen […] Wir haben es ganz offensichtlich nicht vermocht, euch von diesem erneuten Kotau vor der deutschen Staatsraison abzuhalten!“

 

Staatlich und kirchlich geförderter Israelhass

Das „Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung“ (biz) ist fest eingebunden in staatliche und kirchliche Strukturen. So wird das biz gefördert vom Bremer „Senator für Umwelt, Bau und Verkehr“ (heißt seit August 2019 anders, damals wie heute in grüner Hand) sowie von der Bremer „Senatorin für Kinder und Bildung“ (im alten wie neuem Senat von der SPD geführt). Ferner von der „Bevollmächtigten der Freien Hansestadt Bremen beim Bund und für Europa“, der „Bremischen Evangelischen Kirche“, sowie dem „Evangelischen Entwicklungsdienst“. Ein Träger ist der „Arbeitskreis Nahost“, der der Herausgeber der Website des Nahost-Forum Bremen ist und gerne auch Veranstaltungen zu dem Thema „Ist Kritik an der Politik des Staates Israel antisemitisch?“ anbietet.

Beim „Israelischen Komitee gegen Hauszerstörung“ (kurz: ICAHD) handelt es sich um eine israelische Bürgerrechtsgruppe, die sich „gegen die Besetzung palästinensischer Gebiete“ und „für einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern“ einsetzt. Spenden hat das ICAHD unter anderem vom „Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen“, der „Europäischen Kommission“ und Spanien erhalten. Herb Keinon und Benjamin Weinthal berichteten in der „Jerusalem Post“, dass Gerald M. Steinberg von der israelischen Nichtregierungsorganisation „NGO Monitor“ dem ICAHD vorwerfe, „Konflikte anzuheizen, indem es Israel fortwährend der ‚Apartheid‘ und der ‚ethnischen Säuberungen‘ beschuldige“. Jeff Halper, einer der Gründer des ICAHD, ist bekannt geworden für seine Unterstützung der BDS-Bewegung und seine Teilnahme am ersten „Free Gaza Movement“ im Jahr 2008.

Das „Kairos Palästina Solidaritätsnetz“ schließlich wurde in seiner Eigendarstellung „im Juli 2012 in Reaktion auf das von Christinnen und Christen in Palästina verfasste KAIROS-Dokument“ gegründet. In diesem Dokument wird, so Deutschlandfunk Kultur im Februar 2012, „Israel mit dem Apartheidsstaat Südafrika verglichen und zum Boykott israelischer Waren aufgerufen“. Das „Kairos Palästina-Solidaritätsnetz“ führt in seiner Selbstbeschreibung weiter aus, dass es die „kirchliche Auseinandersetzung mit der israelischen Besatzungs- und Siedlungspolitik sowie die proaktive Unterstützung des Boykottaufrufs gegenüber Waren aus völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen in der Westbank“ fördern wolle.

 

Der „pragmatische“ Judenmord der Hamas

Worüber referiert Hussein nun? In der Vortragsankündigung heißt es dazu, dass Hussein „auf der Basis seiner als Buch erschienenen Dissertation […] als ausgewiesener Experte zunächs[t] über die historischen Voraussetzungen für die Entstehung der zeitgenössischen islamischen Bewegung referieren, um vor diesem Hintergrund die Gründung der Muslimbruderschaft in Palästina zu thematisieren“. Wäre man, wie eingangs erwähnt, ein politisch interessierter Beobachter käme man auch hier auf die Idee, einen neutralen Vortrag zu erwarten. Doch danach zeigt Hussein, dessen DPG nach Darstellung des „Jerusalem Center for Public Affairs“ selbst der Muslimbruderschaft nahesteht, worum es ihm tatsächlich geht:

„Er zeichnet die ideologische und politische Entwicklung der HAMAS vom Absolutismus zum Pragmatismus nach und erörtert die auch in unseren Medien oft sehr oberflächlich beschriebenen Beziehungen zu einem möglichen Friedensprozess nach. Insbesondere wird das innerpalästinensische Problem des Verhältnisses zu den anderen Gruppierungen in Gaza und zur Palästinensischen Autorität hinterfragt und differenziert über die Wahlen, die Putsche und die Kriege mit Israel diskutiert.“

Die Hamas, die einst als Zweig der Muslimbruderschaft gegründet wurde, als „pragmatischer“ Player im Nahen Osten. Mit der in ihrer Charta geplanten Judenvernichtung als „pragmatische“ Politik. Hier treffen sich Hamas und das NS-Unrechtsregime, das den Massenmord an den Juden auch „pragmatisch“ machte, indem es den Holocaust den „persönlichen“ Massenerschießungen entriss und in einer industriellen Mördermaschinerie in Konzentrationslager „versachlichte“.

 

Verschwörungstheorien in Reinkultur

Während Hussein also die demokratisch gewählte israelische Regierung zu „Faschisten“ macht und den Staat Israel als „faschistischen Eindringling“ qualifiziert sowie seine PGD-Vorfeldorganisation Antisemitismus und juden- wie israelfeindliche Verschwörungstheorien in Reinkultur propagiert, soll die Terrororganisation Hamas neu etikettiert werden: Hin zu einem „pragmatischen“ Akteur.

In Vorbereitung dieses Narrativs stellte Hussein in seinem Artikel „Der palästinensische Versöhnungsprozess und die nationale Herausforderung“ vom Juli 2011 die Hamas so auch als „wahre und einzige unermüdlichen Kämpferin gegen die Besatzungsmacht“ wie „für eine gerechte Gesellschaft, ohne Seilschaften und ohne Korruption“ dar:

„Die Hamas gewann die Wahlen 2006 mit zwei entscheidenden Themen; sie präsentierte sich als die wahre und einzige unermüdlichen Kämpferin gegen die Besatzungsmacht. Für sie gab es keinen anderen Weg zur Befreiung Palästinas, außer dem bewaffneten Kampf. Das zweite Thema war: ihr Wille für eine gerechte Gesellschaft, ohne Seilschaften und ohne Korruption. Sie stand für ein transparentes Regieren.“

 

„Großisraels Vernichtungskriege“

Den Grund für diese Umetikettierung der Hamas hin zu einer „pragmatischen“ palästinensischen Alternative liegt in den Bemühungen Husseins begründet, eine Versöhnung zwischen Hamas und Fatah im Angesicht einer „Sehnsucht des palästinensischen Volkes nach Einheit und Stabilität“ zu erreichen, so Hussein andernorts, und dies fundiert im einigen Kampf gegen den gemeinsamen Gegner Israel. Denn, so Hussein im eben bereits referenzierten Artikel „Der palästinensische Versöhnungsprozess und die nationale Herausforderung“ fragend: „Wer ist eigentlich der Gegner?“ und selbst darauf antwortend, dass „Fatah und die Hamas vergaßen, dass Palästina noch besetzt ist und dass das Land von der Besatzungsmacht unter den Füßen der Bevölkerung weggerissen wird“.

Das Unrecht einer „israelische[n] Besatzungsmacht“, die ihr „kolonialistisches Projekt“ vorantreibe, welches auf „Entrechtung und Beraubung des palästinensischen Volkes“ aufbaut sowie „Rassismus und Siedlerkolonialismus manifestiert“, so Hussein in seinem Artikel „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zu Pflicht“ vom Oktober 2015. Doch nicht nur das. Ferner habe Israel „drei Vernichtungskriege gegen das palästinensische Volk im Besetzten Palästina“ geführt, um ein „Großisrael“ zu errichten.

So muss das „palästinensische Volk“ als Konsequenz hieraus nun „sein Schicksal in die eigene Hand“ nehmen: „Denn wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zu Pflicht“. Schließlich sorgen „die Menschen im Besetzten Palästina“ nun selbst für „ihre Sicherheit und die Sicherheit ihrer Kinder“, indem sich jetzt selbst „vor den Angriffen der radikalen Siedler und der zionistischen Besatzungsarme“ schützen. Und auch das kann nur gerechtfertigt sein, wie Hussein im April 2012 in der „Neuen Rheinischen Zeitung“ unterstrich, insbesondere dabei auch eine Verantwortung Deutschlands reklamierend, dessen Drittes Reich wie Israel heute „unterdrückt[e] und Menschenrechte mit Füßen“ trat:

„Israel verweigert einem ganzen Volk seine minimalen Menschenrechte, Israel hält Millionen von Menschen in Gefangenschaft und kolonialisiert sein Land. Auch das muss einmal mehr gesagt werden […] Deutschland hat in der Tat eine historische Verantwortung für die Verbrechen, die begangen wurden – aber nicht gegenüber einem Staat, der seinerseits unterdrückt und Menschenrechte mit Füßen tritt. Das muss einmal gesagt werden.“

 

Reinwaschung der Hamas am Tag von Hitlers Machtergreifung

Auch das Datum des Vortrags erscheint im Angesicht der skizzierten Reinwaschung einer protofaschistischen Mörderbande zum „pragmatischem“ Protagonisten im Nahen Osten in einem neuen Licht. Der 30. Januar ist in Deutschland in jedem Bezug zum Faschismus ein bedeutendes Datum: Ist es doch der Tag der Machtergreifung des NS-Unrechtsregimes im Jahr 1933. Und liegt überdies nur drei Tage nach dem internationalen Holocaust-Gedenktag. Am Tag des Beginns des NS-Terrors und drei Tage nach dem Gedenktag an dessen industrielle Todesmaschinerie gleichsam die Hamas-Judenvernichtung als „pragmatisch“ zu referieren, subsumiert eine bedenkliche Geschichtsvergessenheit.

Dass dieser datumsbezogene Zusammenhang von den Veranstaltern wie dem Redner Hussein absichtsvoll gewählt wurde, intendiert folgende Korrelation: Langjährigen Rezipienten der „Hochburg des modernen Antisemitismus“ mag angesichts von Zeit und Ort nun ein Ereignis in Erinnerung kommen, welches fast auf den Tag genau vier Jahre zurückliegt und in der Bremer Chronologie des Anti-Israel-Aktivismus doch einen recht traurigen Spitzenplatz einnimmt. Am 26. Januar 2016, also genau einen Tag vor dem Holocaust-Gedenktag, wollte der Bremer Hardcore-Antizionist Arn Strohmeyer, so die „taz“, aus seinem Buch „Antisemitismus – Philosemitismus und der Palästina-Konflikt“ lesen.

Einem Buch, dem Hermann Kuhn, der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Bremen, im Juni 2016 attestierte, dass Strohmeyer sich hierin „zum Hass auf Israel allerdings bekennt […], er ist für ihn legitim […] und die Gründe, die er selbst für diesen Hass angibt, beruhen auf Vorurteilen und der Leugnung von Tatsachen“. Da passt es ins Bild des Vortrags von Hussein, dass Arn Strohmeyer unter anderem die „Kauf nicht beim Juden“-Bewegung zu Kämpfern für Menschenrechte macht, die protofaschistische Hamas als „keine politische Organisation […], sondern nur religiös und sozial orientiert“ darzustellen versucht, und sogar den Staat Israel mit Nazi-Deutschland vergleicht.

 

Anti-Israel-Aktivismus am Holocaust-Gedenktag

Neben dem Datum gibt es weitere auffällige Übereinstimmungen. Auch der Ort wie die Veranstalter sind dieselben wie vor vier Jahren. Wieder findet der Vortrag nämlich im Bürgerhaus Weserterrassen statt, dem in der Selbstbeschreibung „erfolgreichsten Kulturzentren in Bremen mit über 100.000 Besuchern jährlich und einer Vielzahl von kulturellen und sozialen Angeboten“, welches „Initiativen, Selbsthilfegruppen, politischen Gruppierungen und demokratischen Parteien für ihre Arbeit zur Verfügung“ stellt. Als Veranstalter fungierten 2016 wie heute die DPG, das Nahost-Forum Bremen, der AK Nahost sowie das „Israelische Komitee gegen Hauszerstörung“.

Vor vier Jahren jedoch verlief die Angelegenheit nicht so rund, wie es sich diese bekannten Bremer Anti-Israel-Aktivisten vorgestellt hatten. Benjamin Weinthal schrieb seinerzeit eine Mail an den Leiter des Bürgerhaus Weserterrassen und wies, so die „taz“, diesen Leiter zitierend, darauf hin, dass „es sich bei der Lesung um eine anti-israelische Veranstaltung handele“ und dass es „Boykott-Kampagnen gegen Produkte aus israelischen Siedlungen, […] unterstützt von Strohmeyer, in Bremen gegeben habe“. Zudem, wie oben bereits konstatiert, „habe Weinthal auf den gestrigen 27. Januar verwiesen, den Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“.

Der Leiter des Bürgerhauses reagierte recht überrascht und äußerte, nach Bericht des „Weser-Kuriers“: „Die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft macht immer mal wieder Vorträge bei uns, da sehen wir kein Problem“. Und ergänzte, gemäß der „taz“, dass er nicht wisse, ob Strohmeyers Buch „antisemitisch ist oder nicht“, da er „mit dem Thema nicht befasst“ sei. Nichtsdestotrotz sagte der Leiter die Lesung Strohmeyers insbesondere mit Verweis auf „die zeitliche Nähe der Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag“ am darauffolgenden Tag ab, denn „gerade jetzt kann ein israel-kritisches Buch Menschen besonders treffen“. Und versprach auch Besserung bei der künftigen Terminierung: „Ich ärgere mich schon, dass wir nicht von selbst darauf gekommen sind, dass der Termin unglücklich war.“

Trotz dieser nun evidenten mehrfachen Duplizität der Ereignisse im Hinblick auf Datum, Ort, Veranstalter, Thema und Hintergrund findet am 30. Januar 2020 der Vortrag von Dr. Raif Hussein zum Thema „Der politische Islam in Palästina – am Beispiel der islamistischen Bewegung HAMAS“ im Bürgerhaus Weserterrassen statt. Der einzige Unterschied besteht demnach im Referenten – damals Strohmeyer, heute Hussein –, deren gemeinsame politische Agenda jedoch erhebliche Zweifel weckt, ob die „Hochburg des modernen Antisemitismus“ ihre Lektion tatsächlich gelernt hat. Vielmehr scheint mit diesem Vortrag dem bremischen Anti-Israel-Aktivismus eine weitere unheilvolle Anekdote hinzugefügt zu werden.

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