Eisenberg, Silberberg oder Goldberg – die Welt der jüdischen Nachnamen
„Mandelbaum” war ein kostspieliger jüdischer Nachname.© WIKIPEDIA
Jüdische Familiennamen haben sich im Laufe der Geschichte entwickelt. Je nach Herkunft stammen die Nachnamen aus dem Talmud, dem Wohnort oder sind konnten im Rahmen der Emanzipationsgesetze im 18. und 19. Jahrhundert frei gewählt werden. So entstanden klangvolle Namen wie Mandelbaum, Rosenfeld oder Lilienthal, die vom Geist der Romantik beeinflusst waren.
Israel ist offensichtlich der große Schmelztiegel des jüdischen Volkes, aber weniger offensichtlich hilft die große Menge an Juden auch dabei, die Traditionen und Eigenheiten der verschiedenen Gruppen zu bewahren. Vor allem für religiöse Juden ist es in Israel möglich, eine Gemeinde zu finden, die genau die Tradition fortführt, die man vor seiner Einwanderung in Israel verlassen hat.
Als religiöser Aschkenasi gehe ich hier in Bet Shemesh in eine aschkenasische Synagoge und auch die meisten meiner Freunde sind Aschkenasim. Dazu gehört, dass die Menschen in meinem Umfeld typisch aschkenasisch-deutsche Nachnamen haben.
Die Lehrerin meiner Tochter heißt zum Beispiel Weissmandel, ein sehr schöner Name, vor allem wenn man versteht, was er bedeutet.
„Sarah, was bedeutet weiß auf Ivrit?“ fragte ich meine Tochter.
„Lawan“
„Richtig, und Mandel ist auf Ivrit Schaked, wie die Schkedim, die wir manchmal essen. Deine Lehrerin heißt also übersetzt Schaked-Lawan, eine weiße Mandel.“
„Wow!“
Aber das ist noch nicht einmal das lustigste Beispiel. Es gibt Tage, an denen ich in der Synagoge buchstäblich zwischen einem Eisenberg, einem Silberberg und einem Goldberg gefangen bin. Gut, dass der Finkelstein auch neben mir sitzt, sonst würde ich mich ganz zerdrückt fühlen.
Ein anderes Mitglied unserer Gemeinde hat mir einmal gebeichtet, sein Nachname Baum sei nicht sein wirklicher Name. Seine Großeltern hatten ihn bei der Einwanderung in die USA in Baum geändert. Wirklich heißt er Zwetschgenbaum, aber versuchen Sie das mal, einem Amerikaner beizubringen.
Antike jüdische Namen
Die Synagoge ist auch der Ort, an dem die neuen jüdischen Nachnamen mit den alten, nicht vorhandenen Nachnamen zusammentreffen. Denn wenn man am Schabbat während der Thoralesung aufgerufen wird, um den Segen über die Thora zu sprechen, wird man auf die alte Weise dazu aufgerufen: Vornahme, ben (Sohn des…), Name des Vaters.
Wenn ich also zur Thora aufgerufen werde, ruft der Vorbeter: Michael ben Mark!
Wenn für eine Person gebetet wird, wird der Name der Mutter anstatt des Vaters genannt.
Auf diese Weise haben sich Juden seit biblischen Zeiten identifiziert, wie Joschua ben Nun, der Nachfolger von Moses. Man sollte jedoch auch bedenken, dass die Menschen damals mit ihren Namen kreativer waren als heute. Die vielen Davids, Daniels und Benjamins würden heutzutage für große Verwirrung unter dem jüdischen Volk führen, während biblische Namen wie Nachshon ben Aminadav, der Held der Spaltung des Schilfmeeres, sicherlich nicht zweimal vorkommen.
In der späteren Zeit, die in den Büchern der Richter und Könige behandelt wird, finden wir Herkunftsorte, die zur genaueren Identifizierung von Personen verwendet werden, wie Doeg, der Edomiter, Elia, der Tishbiter. Zur Zeit der Rückkehr aus Babylon unter Esra stoßen wir auf mehrere beschreibende Personennamen mit einem bestimmten Artikel. Diese kommen zwar nur selten vor, aber sie liefern interessante Beispiele für Personennamen, die gleichzeitig fast als Familiennamen dienen: Ha-kotz (der Dorn), Ha-katan (der Kleine).
Der biblische Stil der Namensgebung blieb bis in die talmudische Zeit erhalten, allerdings mit einigen Neuerungen. Patronyme sind im Talmud recht häufig anzutreffen, wie Jochanan ben Zakkai und Joschua ben Chananja. Anscheinend kamen zu dieser Zeit bereits zu Namensverwechslungen und wir finden Namen wie Raba bar Chana (Raba, der Enkel von Chana).
Im Talmud finden wir auch erstmals Nachnamen, die auf dem Beruf der Person basieren, wie Ephraim Safra (der Schreiber), Jochanan ha Sandlar (der Schuhmacher), aber auch Jose ha-Kohen (der Priester).
Keiner dieser Nachnamen wies jedoch das Hauptmerkmal der modernen Familiennamen auf: die Übertragbarkeit vom Vater auf den Sohn. Sie blieben an die Person gebunden und wurden nicht an die Nachkommen vererbt. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen, denn der Talmud erwähnt eine Priesterfamilie, Bet Abtinas, das Haus der Abtinas, das seinen Namen weitergab.
Erst im 10. und 11. Jahrhundert wurden die Familiennamen sowohl bei Juden als auch bei Nicht-Juden häufiger.
Moderne jüdische Nachnamen
In Europa stoßen wir im 14. und 15. Jahrhundert auf einige Familiennamen, die bereits ihre modernen Formen tragen, wie Ephraim von Bonn, Meir von Ruthenberg, Yom Tow von York.
Eine der wichtigsten Entwicklungen in der Geschichte der jüdischen Familiennamen vollzog sich in Frankfurt am Main, wo die Juden gezwungen waren, in der Judengasse zu leben, und die Familien nach den von ihnen bewohnten Häusern registriert wurden.
In den mittelalterlichen deutschen Städten, wie auch anderswo in Europa, waren die Häuser nicht nummeriert; nur wenige Menschen konnten damals Buchstaben oder Zahlen lesen. Daher war es an den meisten Orten üblich, ein Haus durch ein außen angebrachtes Schild zu kennzeichnen. Diese farbenfrohen und malerischen Hausschilder führten dann zum vielleicht berühmtesten jüdischen Namen, Rothschild.
Eine Familie in Frankfurt, die priesterlicher Abstammung und unter dem Namen Cahn bekannt war, verwendete für ihr Hauszeichen das Bild eines Bootes (wie der Kahn). Später verwendeten andere Mitglieder derselben Familie das Zeichen eines Schiffs, so dass aus dem ursprünglichen hebräischen Kahn der deutsche Name Schiff wurde.
Die europäischen Juden nahmen ihre Nachnamen jedoch nicht allzu ernst und wechselten sie oft. Simon Heine, der Urgroßvater von Heinrich Heine, wurde zum Beispiel auch Simon Bückeburg genannt, da er aus diesem Ort stammte. Der Philosoph Moses Mendelssohn wurde manchmal Moses Dessauer genannt, weil er aus Dessau stammte.
Schließlich hatten die Behörden Europas genug von den jüdischen Namensspielchen und verpflichteten sie, ständige Namen zu wählen. 1797 erließ Kaiser Joseph II. ein Edikt, das den Juden in Galizien und der Bukowina vorschrieb, dauerhafte Familiennamen anzunehmen. Ähnliche Edikte folgten daraufhin in großen Teilen Europas.
Die Namensvergabe und -registrierung war für die zuständigen Regierungsbeamten jedoch ein neues Mittel, um von den Juden Geld zu erpressen. Für wohlklingende Namen musste man einen hohen Preis zahlen, während diejenigen, die sich das nicht leisten konnten, mit Namen wie Salz, Schmalz, oder Nierenstein gebrandmarkt wurden. Zu den teureren Nachnamen gehörten zum Beispiel Ehrlich, Kluger und Fröhlich, während hübsche Naturnahmen wie Mandelbaum, Rosenbaum, Weinstock und Weissmandel sicherlich auch nicht günstig waren.
Israelisierte und amerikanisierte Namen
Die Evolution der jüdischen Nachnamen geht in unserer Zeit unvermindert weiter, indem viele Namen amerikanisiert und israelisiert werden. Der israelische Staatsgründer David Ben-Gurion wurde als David Grün geboren und der spätere General und Premierminister Ariel Scharon hieß einmal Arik Scheinerman.
Auch die Tatsache, dass es im hebräischen Alphabet nicht wirklich Vokale gibt, führt dazu, dass einige, oft russische Namen, ihre Vokale verlieren. Meinen Namen Selutin sprechen Israelis zum Beispiel als Slotin aus, weil es kein „e“ im Hebräischen gibt. Leider konnte ich bei meiner Alija noch kein Hebräisch, sonst hätte ich ein Aleph zwischen das Samech und Lamed gesteckt, das als „e“ oder „a“ gelesen werden kann. Dann hätte ich zumindest eine 50-prozentige Chance, dass mein Name richtig ausgesprochen wird. Aber dafür ist es zu spät und meine israelischen Kinder heißen jetzt Slotin.
In den USA wurden bekanntermaßen ebenfalls viele Namen angepasst, so dass aus Grünfeld Greenfield wurde und es zu einigen kuriosen Fällen kam, wie der Witz über Sean Ferguson andeutet:
Als das Schiff nach langer, sturmiger Fahrt endlich in Amerika ankam, ging es Schloimi ganz schlecht. Er hatte hohes Fieber und konnte kaum noch aufrecht stehen. Als ihn der amerikanische Beamte nach seinem Namen fragte, konnte Schloimi nur in Jiddisch antworten.
„Den hab ich schon vergessen,“ sagte Schloimi nach einigem Nachdenken.
„What did you say?“ fragte der Beamte, der kein Jiddisch verstand.
„Schon vergessen!“ schrie Schloimi zurück.
„OK Sean Ferguson, welcome to America!”
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