Jewish Matchmaking – Die NETFLIX-Show für eine Generation auf der Suche

Der Wunsch nach einer erfüllten Ehe setzt viele Menschen unter Druck – eine Heiratsvermittlerin kann oft helfen.
© DAVID FURST / AFP

Die Netflix Show „Jewish Matchmaking“ folgt einer jüdischen Schadchanit (Heiratsvermittlerin) bei ihrer Aufgabe, jüdische Partnersuchende miteinander zu verkuppeln. Die Sendung spielt in den USA und Israel und erinnert an die Zeit, als der Autor in Israel ebenfalls mit Hilfe von Schadchanim eine eigene Ehefrau suchte. (JR)

Von Michael Selutin

Ich wurde von verschiedenen Matchmakern interviewt, die mir manchmal Bilder der jungen Frauen zeigten, mich manchmal aber auch auf Blind Dates schickten. Mir hat dieser Prozess großen Spaß gemacht. Mehrmals pro Woche saß ich mit netten jüdischen Mädchen im Café und sprach mit ihnen über unsere gemeinsamen potenziellen Familienpläne.

Meine Dating-Abenteuer endeten als ich die potenziell beste Ehefrau von allen kennenlernte und unsere hypothetischen Familienpläne konkret wurden. Die Tipps und Weisheiten unserer Schadchanim und unserer orthodoxen Umwelt haben im Laufe der Zeit, aber vor allem zu Beginn unserer Ehe, viel dazu beigetragen, unsere schrecklich jüdische Familie so erfolgreich zu machen.

 

Jüdische Weisheiten für eine glückliche Ehe

Hier liegt auch der große Wert der Netflix-Sendung Jewish Matchmaking. Die Schadchanit Aleeza Ben Shalom ist eine orthodoxe Jüdin, die auf tausende Jahre jüdischer Matchmaking-Tradition zurückblicken kann. Aleeza steckt voller Wissen darüber, wie eine glückliche Ehe funktioniert, welche Erwartungen und Einstellungen man haben soll und welche Verhaltensweisen für eine Ehe förderlich und welche problematisch sind.

Besonders in der heutigen Zeit, in der sich jeder seine eigenen Werte und sogar Geschlechter aussuchen kann, sind Aleezas Worte Gold wert. Ein großes Problem unserer Zeit ist zum Beispiel die Einstellung bei vielen Menschen, dass es einen einzigen Seelenpartner gibt. Wenn es dann in der Beziehung zu Problemen kommt, denkt man sich dann einfach, dies sei nicht der wahre Seelenpartner und man müsse eben weitersuchen.

Aleeza räumt gleich in der ersten Folge mit diesem Trugschluss auf. In der jüdischen Tradition gibt es zwar auch die Idee des Seelenpartners (Siwug), aber Aleeza definiert ihn in etwa so: „Man findet einen Menschen, mit dem bereit ist, das Abenteuer Ehe zu beginnen und dieser Mensch wächst im Laufe der Zeit zum Seelenpartner.“

Mit dieser Einstellung ist eine Ehe viel stabiler, denn man hat bereits seinen potenziellen Seelenpartner gefunden und Probleme sind dazu da, um aus ihnen zu lernen und sie gemeinsam zu überwinden. Aufgeben und weitersuchen ist (in normalen Fällen) keine Option.

 

Eine verwirrte Welt

Interessant an der Netflix Show ist auch die Tatsache, dass die Schadchanit eine orthodoxe Jüdin ist, während die meisten der Teilnehmer säkulare Juden sind. Es wird in der Sendung nicht sehr deutlich, aber die Unterschiede im Lebensstil dieser Menschen sind riesengroß. Während Aleeza ein Leben führt, das von der Bibel und der jüdischen Tradition bestimmt ist, haben die anderen kein funktionierendes Wertesystem, das ihnen hilft, einen guten Partner zu finden und eine erfolgreiche Ehe zu führen.

Da ist zum Beispiel die Kandidatin Harmonie, die im Alter von 44 Jahren plötzlich eine Familie gründen und Kinder haben will. Sie lebt in Los Angeles und hat bisher ein sorgenfreies Leben mit wechselnden, meist jüngeren, Partnern gelebt. Bei ihrem ersten Treffen mit Aleeza spricht sie über ihren Kinderwunsch, vergießt dabei ein paar Tränen und einige Sätze später sagt sie plötzlich, dass sie einen Ehemann sucht, mit dem sie spontan nach Indonesien reisen könnte.

Aleeza und die glücklichste Ehefrau von allen, mit der ich die Show gesehen habe, riefen gleichzeitig aus, „Hast du nicht gerade gesagt, dass du Kinder willst?!“

 

Harmonie konnte schließlich keinen Schidduch in der Sendung finden.

Leser meines Blogs wissen, wie anstrengend es ist, Kinder zu haben und man in diesem Abschnitt seines Lebens weniger das Bedürfnis hat, spontan zu verreisen. Ein Abend auf dem Sofa mit einer Verkupplungsshow auf Netflix klingt für viele Eltern weit attraktiver als mit gelangweilten Kindern stundenlang im Flugzeug zu sitzen.

Nicht nur hat Harmonie bisher nicht gewusst, was sie wirklich im Leben will, sondern auch nachdem sie sich darüber bewusst wird, hat sie noch die Vorstellung, sie könne ihr unbeschwertes Leben auch mit einer Familie weiterführen. Diese Umstellung von Single zu Mutter oder Vater ist ein großes Problem unserer Zeit.

Ich spreche aus Erfahrung.

Aleeza erklärt Harmonie auch sofort einige Grundlagen der Ehe und sie hört mit weit aufgerissenen Augen zu, als würde sie zum ersten Mal konkret darüber nachdenken, ein Kind zu haben. Allein für diese gelegentlichen Partner- und Ehetipps lohnt es sich, die Sendung zu sehen.

 

Der jüdische Twist

In einer Zeit, in der der Antisemitismus weltweit zunimmt, ist es sehr erfrischend und hoffentlich förderlich, einige echte jüdische Menschen zu sehen.

Hier haben wir jedoch auch das größte Problem der Sendung. Eine Reality Show, in der die Teilnehmer ihre Gefühle und Erlebnisse mit Millionen von Zuschauern weltweit teilen, zieht wahrscheinlich eher Menschen mit einem großen Ego an. Es gibt ja auch Matchmaker, die ohne Kamerateam arbeiten.

Der Kandidat Ori ist ein gutes Beispiel dafür. Er lebt in einer Villa bei seiner Mutter, arbeitet bei seiner Mutter und, wie mir die am glücklichsten verheirateten Ehefrau von allen versicherte, ist er nicht gerade ein George Clooney (ich schon eher, sagt sie). Aber Ori will nur eine Frau heiraten, die wie ein Top-Model aussieht.

Kurz gesagt, Ori und manche der anderen Teilnehmer lassen uns Juden wie reiche, verwöhnte Egomanen aussehen. Vielleicht ist das immer noch besser als als kriegerische, religiöse Fanatiker dargestellt zu werden.

Es ist auch sehr interessant zu sehen, wie stark der Wunsch bei diesen Menschen ist, eine Familie zu gründen. Es scheint, je jüdischer sich die Teilnehmer der Sendung fühlen, desto stärker ihr Familienwunsch. Aber auch der Druck der Familie, eine eigene Familie zu gründen, scheint bei zunehmendem Jüdischsein zuzunehmen, wahrscheinlich mehr als bei anderen Völkern:

Tochter ist auf Partnersuche. Hier scannen für Lebenslauf.

Juden und die jüdische Religion sind sehr familienorientiert. Das erste Gebot der Bibel an das frisch erschaffene Ehepaar Adam und Eva lautet, „Ihr sollt euch vermehren“. Demgemäß ist jeder Mensch verpflichtet Kinder zu zeugen. Die Rabbis haben für die Juden das Gebot abgeleitet, mindestens eine Tochter und einen Sohn zu zeugen, aber am besten so viele Kinder wie möglich.

Der biologische und gesellschaftliche Druck bringt die Kandidaten von Jewish Matchmaking dazu, das zu tun, was Juden seit tausenden von Jahren tun, nämlich professionelle Hilfe für den wichtigsten Schritt des Lebens zu suchen. Diese Hilfe besteht dann meist darin, die Kandidaten von ihren verwirrten Vor- und Einstellungen zu befreien.

Vielleicht ist das die wichtigste Message dieser Sendung: Während wir in so vielen Bereichen unseres Lebens auf Experten vertrauen, machen wir bei der Partnerfindung und Ehe kaum Anstrengungen Experten zu Rate zu ziehen. Schadchanim wie Aleeza Ben Shalom sind so hilfreich, weil sie verstehen, dass es bei der Partnerfindung auch um eine rationale und nicht nur eine emotionale Entscheidung geht.

 

Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Blog michaelselutin.com

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