Daf Yomi – Stellen aus dem Talmud

In der Ausgabe vom Januar 2022 hat die Jüdische Rundschau damit begonnen, auszugsweise Stellen aus dem Talmud darzulegen und zu erörtern. Die Auswahl der Stellen erfolgt dabei anhand des festgelegten Lesezyklus, der als „Daf Yomi“ bezeichnet wird. Vgl. die Informationen in der genannten Ausgabe. Folgendes stellt eine Fortsetzung dar.

Die Organisationen „Yad l'Achim“ und „Lehava“ helfen jüdischen Frauen, aus gewaltvollen Ehen mit muslimischen Männern zu entkommen. © Jack GUEZ / AFP

Von Patrick Casiano

Das Freikaufen von Entführten

Im Artikel der Juli-Ausgabe haben wir geschrieben, dass das in der Ketuba (=jüdischer Ehevertrag, heutzutage standardisiert) Geschriebene jüdisches Gesetz ist und den Ehemann sogar binden würde, wenn dieser seiner Frau gar keine Ketuba ausgehändigt hätte.

In einer Mischna in Ketubot 51a findet sich eine kurze Liste mit Beispielen von Verpflichtungen, die ein Ehemann seiner Frau gegenüber hat, auch wenn diese in der Ketuba nicht erwähnt wurden – und sozusagen auch, falls gar keine geschrieben wurde. Dort lesen wir: „Wenn er nicht geschrieben hat: ‚Falls du gefangen genommen wirst, werde ich dich freikaufen und dich zu mir als Ehefrau zurückführen […]‘ [so ist er dennoch] verpflichtet, denn es ist eine vom rabbinischen Gericht festgelegte Bedingung [des Ehevertrages].“

Entführungen und Menschenhandel waren zur Zeit der Verfassung von Mischna und Talmud in Israel unter Fremdherrschaft und im jüdischen Zentrum in Babylonien häufige Vorkommnisse. Und dass sich jüdische Quellen damit befassen, zeigt wie umfangreich das jüdische Gesetz ist und dass es alle Lebensbereiche abdeckt.

Im weiteren Verlauf der talmudischen Diskussion kommen wir auf 52b zu dem bekannten Satz: „Man kauft keine Gefangenen frei für mehr als ihren Wert. Um der Ordnung der Welt willen.“ Man wird sich sicherlich fragen, was der „Wert“ eines Gefangen ist – um so mehr noch, da es deutlich ist, dass es sich hier tatsächlich um einen finanziellen Wert handelt. Wenn jüdische Gefangene von ihren Verwandten oder der jüdischen Gemeinde nicht freigekauft wurden, dann hat man sie am Sklavenmarkt verkauft. Ihr Preis richtete sich dann nach Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand usw. Der Preis einer Person am Sklavenmarkt wurde somit als Richtlinie für den Preis angesehen, für den man sie auch freikauft.

Unsere Weisen hatten das Bedenken, dass wenn Juden generell zum Freikauf anderer Juden mehr zu zahlen bereit sind als diesen Standard und auch mehr als Angehörige anderer Völker zum Freikauf ihrer Verwandten zahlen, dann wird das ein gefährlicher Präzedenzfall sein und Juden werden vermehrt entführt werden.

Es steht hier also ein nationales Interesse einem individuellen gegenüber und ein rationales konkurriert mit einem emotionalen. Denn wie sollte man z.B. von Eltern erwarten, nicht jede Forderung der Entführer zu erfüllen, nur um ihr entführtes Kind wieder in die Arme schließen zu können. Aber das Wohl des Kollektivs erfordert eine solche Beschränkung.

 

Lösegeld für Rabbi Meir aus Rothenburg

In der jüdischen Geschichte gibt es den bekannten Fall des angestrebten Freikaufes von Rabbi Meir aus Rothenburg. Er war im 13. Jahrhundert aufgrund seiner Gelehrsamkeit als höchste religionsgesetzliche Autorität in den deutschsprachigen und umliegenden Ländern anerkannt. Im Jahr 1286 entschloss er sich, die deutschen Lande zu verlassen und nach Israel auszuwandern. Auf dem Weg dorthin wurde er jedoch von einem abtrünnigen Juden erkannt und denunziert und kam letzten Endes in Gefangenschaft. Es wurde eine ungeheure Summe für seine Freilassung gefordert und Rabbi Meir – der auch in der Gefangenschaft weiterhin mit seinen Schülern in Kontakt stand und Korrespondenzen unterhielt – untersagte den Juden aus genanntem Grund seine eigene Auslösung und starb schließlich nach sieben Jahren in Gefangenschaft.

Wobei gesagt werden muss, dass ein Teil der Historiker Zweifel an den genauen Details der genannten Geschichte haben – während die Gefangenschaft und die generelle Forderung nach Geld jedoch von allen anerkannt werden.

 

Gefangenenauslösungen in Israel heutzutage

Leider folgt der Staat Israel nicht den Weisungen der jüdischen Gelehrten und so kommt es, dass Gefangenenaustausche zwischen Israel und seinen Feinden immer unverhältnismäßig zum Nachteil der israelischen Seite ausfallen und Israel sich ausnutzen lässt.

Begonnen hat dies bereits in den regulären, also zwischenstaatlichen Kriegen als nach dem Suezkrieg über 5.500 ägyptische Gefangene für gerade einmal vier Israelis ausgetauscht wurden. Und auch nach dem Sechs-Tage-Krieg wurden ca. 4.500 ägyptische Gefangene für zehn Israelis ausgetauscht und an den Fronten mit den anderen arabischen Nachbarstaaten kam es zu ähnlichen, unverhältnismäßigen Austauschen. Im vorliegenden Fall könnte man noch vorbringen, dass einfach alle Ägypter gegen alle Israelis getauscht wurden, und dass das Verhältnis der Gefangenenzahlen nun mal einfach so war. Aber ab den 1980ern mehrten sich solche unverhältnismäßigen Austausche auch mit Terrororganisationen, ohne dass das oben genannte Argument greifen könnte. Einen traurigen Höhepunkt erreichte dies im Jahr 2011 als Israel 1.027 Gefangene – darunter auch verurteilte Mörder – für einen einzigen israelischen Soldaten freigelassen hat, der im Gaza-Streifen gefangen war. Wie ersehnt diese Freilassung für ihn und seine Familie auch gewesen ist, so war es doch absolut vorhersehbar, dass die freigelassenen Terroristen erneut jüdisches Blut vergießen werden. Der bekannteste, aber keineswegs einzige Fall, in dem Freigelassene aus diesem Austausch wieder an Morden beteiligt waren, ist die Entführung und anschließende Ermordung von drei jüdischen Jugendlichen im Juni 2014.

 

Eine neue Form von Gefangenschaft in Israel

Neben den klassischen Formen der Gefangenschaft, die einer Person aufgezwungen werden, gibt es heutzutage in Israel auch eine solche, in die ihre Opfer hineinverführt werden. Die Rede ist von Beziehungen zwischen jüdischen Frauen und muslimischen Männern. Ein Phänomen, von dem in Israel zu wenig die Rede ist, das aber dennoch weit verbreitet ist und Frauen aus allen Altersstufen und sozialen Klassen betrifft. Gemischte Beziehungen werden seitens des liberalen, progressiven etc. Lagers in Israel als Form der Koexistenz angepriesen. Dabei wird jedoch nicht erwähnt, dass in solchen gemischten Beziehungen fast ausschließlich der Mann muslimischer und die Frau jüdischer Herkunft ist. Umgekehrte Beziehungen werden von muslimischer Seite nicht zugelassen. Das Paar würde eher umgebracht werden. Aber ohnehin wären auch gemischte Beziehungen mit umgekehrter Geschlechterverteilung nicht im jüdischen Sinne. Zu sagen „so wie ihr uns die Frauen wegheiratet, machen wir es mit euren Frauen“ ist nicht die jüdische Sichtweise. Viel mehr soll jedes Volk unter sich heiraten.

Die Muslime sehen es jedoch anders und obwohl Juden generell verachtet werden, wird es dennoch als anstrebenswert gesehen, eine jüdische Frau zu haben – die dann auch zum Islam konvertieren muss und häufig auch nicht die einzige Frau eines muslimischen Mannes ist.

Mit einer muslimischen Frau kann ein muslimischer Mann vor der Ehe nicht so unverbindlich Spaß haben wie mit einer jüdischen Frau aus der offenen israelischen Gesellschaft. Und dadurch, dass er eine jüdische Frau an sich bindet, verhindert er, dass diese Kinder für die „gegnerische Seite“ zur Welt bringen wird. Eine jüdische Frau zu haben, wird manchmal auch als sozialer Aufstieg angesehen. Und mit ihrem Aussehen entsprechen sie meistens eher dem Schönheitsideal, das durch westliches Fernsehen auch in die arabische Gesellschaft Einzug gefunden hat.

Wie dem auch sein mag, nach den ersten Monaten der Bekanntschaft oder Ehe, in denen die Angebetete mit Geschenken und Komplimenten überhäuft wird, folgt dann häufig die Realität des Alltags. Frauen, die aus solchen Beziehungen gerettet wurden, berichten über unvorstellbare körperliche und seelische Gewalt, darüber dass sie eingeschlossen werden, während der Mann das Haus verlässt, dass sie kein Telefon haben dürfen und dass jeglicher Kontakt mit ihrer Familie untersagt ist. Häufig finden solche Frauen auch den Tod. Der letzte solcher Fall war erst im Juni 2022 der Mord an der 24-jährigen Sapir Nahum.

Es gibt in Israel Organisationen, die versuchen, diesen Frauen zu helfen. Zu denken ist dabei vor allem an die wohletablierte Organisation „Yad l'Achim“ (www.yadlachim.org) und an die neuere Organisation „Lehava“ (www.lehava-us.com). Wenn sich jemand Sorgen macht, dass eine Verwandte oder Bekannte dabei ist, in eine solche Beziehung abzugleiten, kann man sich zur Beratung an diese Organisationen wenden und sie versuchen dann die betreffende Frau über die Gefahren aufzuklären. Und falls sie bereits in die Falle getappt und nun in irgendeinem arabischen Dort weggeschlossen ist und die israelischen staatlichen Behörden aufgrund von politischer Korrektheit und Multi-Kulti-Wahn nicht eingreifen wollen, dann organisieren solche Organisation auch Rettungsaktionen. Dabei betreten Freiwillige – häufig ehemalige Angehörige von Spezialeinheiten – verkleidet arabische Dörfer und befreien die gefangenen Frauen und ihre Kinder, die ja laut jüdischem Recht auch jüdisch sind. Später werden die geretteten Frauen noch durch Sozialarbeiter und Psychologen bei ihrer Re-Integration in die jüdische Gesellschaft betreut. Wenn aus dieser Verbindung Kinder geboren wurden, braucht die Frau auch juristische Hilfe, falls der Mann Anspruch auf die gemeinsamen Kinder erhebt. Bei all dem unterstützt Yad L’Achim die betroffenen Frauen und daher sollte ein jeder Yad L’Achim durch Spenden unterstützen. Wenn die Spenden über Steuerzahler in Israel, der USA oder Frankreich abgewickelt werden, sind sie in diesen Ländern auch steuerlich absetzbar.

Maimonides schreibt in seinen Gesetzen der Spenden an die Armen (Hilchot Matanot Anijim), Kapitel 8, Halacha 10:

„Das Freikaufen von Gefangenen hat Vorrang vor der Ernährung und Bekleidung der Armen. Und kein Gebot ist so wichtig, wie das Freikaufen von Gefangenen! Denn der Gefangene ist sowohl unter den Hungrigen, als auch unter den Durstigen und den Nackten und er befindet sich in Lebensgefahr.“

 

Yad L’Achim ist auf Ihre Spende angewiesen (www.yadlachim.org).

 

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