Die jiddische Sprache in Gefahr – Bundesregierung bleibt tatenlos!
Für den Fortbestand der aus dem Mittelhochdeutschen hervorgegangenen Sprache der osteuropäischen Juden fühlt sich die deutsche Kulturförderung offenbar frei von jeder Verantwortung, obwohl es gerade Deutschland war, das mit dem Genozid an den osteuropäischen Juden auch deren Sprache weitgehend vernichtete – und damit einen jahrhundertealten Kulturschatz Europas auf dem Gewissen hat.
Neue und alte Titelseite der Zeitschrift „Dos Jidisze Wort” aus der polnischen Hauptstadt Warschau© IMH
Das Jiddische ist kein fremdes ausländisches Idiom, sondern gehört wie das Hochdeutsche, Friesische oder Kölsch zum deutschen Sprachschatz. Auch wenn die letzten Sprecher des Jiddischen heute aufgrund von Vertreibung und Verfolgung hauptsächlich in den USA, Israel, Russland, Großbritannien und Frankreich leben, besteht für die deutsche Bundesregierung eine moralische Verpflichtung, diesen Kulturschatz zu pflegen und zu erhalten. Angesichts der unablässigen Solidaritätsbekundungen deutscher Politiker gegenüber Juden bzw. Israel, muss man annehmen, dass entsprechende Fördermaßnahmen fürs Jiddische seit Jahrzehnten laufen. Aber das ist nicht der Fall. Anfragen der Jüdischen Rundschau bei jiddischen Zeitungen, Zeitschriften und Kulturorganisationen weltweit haben ergeben, dass weder das Auswärtige Amt direkt noch Botschaften oder Mittlerorganisationen wie das Goethe-Institut bislang ideelle oder finanzielle Unterstützung leisteten.
Im Gebiet des heutigen Deutschlands, wo die Sprache vor rund 1.000 Jahren entstand, ist sie mittlerweile weitgehend ausgestorben. Man schätzt die Zahl der verbliebenen Sprecher im Ausland auf rund 2 Millionen Menschen. Sie leben vornehmlich in Jerusalem und New York. Weitere kleine, aber nennenswerte Sprechergruppen sind außerdem in Städten wie Montreal, Melbourne, Buenos Aires, London, Antwerpen, Straßburg und Paris zu finden. Sie alle gehören fast ausschließlich orthodoxen jüdischen Gemeinden an. Einige nicht-orthodoxe jiddischsprachige Juden gibt es noch in Warschau (Polen) und in Birobidschan (Russland). Sie geben auch regelmäßige Publikationen in ihrer Mameloschn heraus. Ein Mitarbeiter der Warschauer Zeitschrift „Dos Jidisze Wort“ erklärt zur Situation vor Ort: „Heute, so schätzen wir, liegt die Zahl der Jiddischsprachigen bei etwa 1.000 Personen. Das sind ca. 14 Prozent aller in Polen lebenden Juden. Es sind zum größten Teil die älteren Gemeindemitglieder. Wir haben keinerlei Hilfsmittel von der Bundesregierung oder der deutschen Botschaft bekommen. Die deutsche Regierung und die Deutschen sollten sich für die jiddische Sprache mehr einsetzen, denn sie ist ein Teil der deutschen Kultur.“
Es ist beschämend, wie wenig sich staatliche Stellen in Berlin um das bedrohte deutsch-jüdische Spracherbe kümmern, das hinsichtlich seiner Sprecherzahl in den vergangenen hundert Jahren einen Schwund von über 80 Prozent zu verzeichnen hat. Allein die deutsche Nichtregierungsorganisation Internationale Medienhilfe (IMH) versucht statistische Daten über die gegenwärtige Lage der Mameloschn zu sammeln und den jiddischsprachigen Medien mit bescheidenen Mitteln unter die Arme zu greifen. Die IMH tut dies vor allem, indem sie die übriggebliebenen Zeitungen, Zeitschriften und Radioprogramme vernetzt, berät und mit kostenloser Werbung unterstützt.
Zu den aktuellen Werbemaßnahmen gehört beispielsweise die Veröffentlichung der neuen Adressliste „Jüdische Medien in Jiddisch und Hochdeutsch weltweit“. Es ist das erste Verzeichnis seiner Art und kann direkt bei der IMH (info@medienhilfe.org) bestellt werden.
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Über jeden Verdacht erhaben? Antisemitismus in Kunst und Kultur
Die nationalsozialistische Vergangenheit vieler Kulturinstitutionen blieb nach 1945 weitgehend verdrängt. Dasselbe gilt für personelle und ideologische Kontinuitäten in der Kunst. In der DDR „legitimierte“ die Selbstsicht als „antifaschistischer“ Staat aggressiven Antizionismus. Wie aber steht es um den bis heute bestehenden Antisemitismus in gegenwärtigen künstlerischen und kulturellen Kontexten?