Jom Kippur in Halle: Nur eine Holztür rettete die Gemeinde vor einem Massaker.

Der rechtsradikale Schütze Stephan B. scheiterte mit seinen Attentatsplänen und ermordete zwei nicht-jüdische Zufallsopfer.

Trauernde vor der Synagoge Halle.© AFP

Von Yannik Edelmann

Im Moment scheinen Anschläge auf Gotteshäuser wieder schwer in Mode zu kommen. Während es in Christchurch zwei Moscheen traf und in Sri Lanka betende Christen, versuchte ein Deutscher in Halle sich Zugang zu einer Synagoge zu verschaffen und ein Blutbad anzurichten. Juden an Jom Kippur anzugreifen, scheint auf Antisemiten eine magische Anziehungskraft auszuüben.

Doch manchmal geschehen auch in heiligen Hallen Wunder, denn der Täter schaffte es nicht, die Tür aufzuschießen. Das aufwendig geplante Massaker mit Extra-Live-Stream ins Internet scheiterte nicht an einem wachsamen Polizisten, sondern an einer soliden Tür.

Wir werden zum Glück nie erfahren, welche mörderischen und grausamen Szenen sich in der Synagoge sonst abgespielt hätten. Dass der Täter – Stephan Balliet – keine Skrupel kannte, bewies er kurze Zeit später, als er eine Frau auf der Straße von hinten erschoss und in einem Dönerladen einen jungen Mann tötete.

Seine Motivation dazu schrieb er in ein Pamphlet, das er auf einen File-Hoster hochlud.

Diese Angewohnheit scheint rechtsextremen Attentätern fast zwanghaft eigen zu sein. Manche dieser Abhandlungen kommen auf tausend Seiten und natürlich darf in diesen die jüdische Weltverschwörung nicht fehlen.

In Stephan Balliets Weltsicht zum Beispiel sind die Juden schuld an der Masseneinwanderung nach Deutschland. Muslimische Massenmörder haben es da einfacher. Da reicht es aus, einen Blick auf den Koran im Beisein eines Imams geworfen zu haben und „Allahu Akbar“ rufen zu können. Die antisemitische Einstellung ist meist schon vorhanden und muss nicht erst durch eine Radikalisierung im Internet erworben werden.

Dieser Anschlag löste in mir aber nicht nur Entsetzen, sondern auch eine Kette von Fragen aus. Warum war die Synagoge von Halle nicht bewacht? In Berlin steht vor jeder jüdischen Einrichtung ein Polizist. Sind Politiker also der Meinung, dass nur in Berlin Juden gefährdet sind? Und wer sind die Gefährder in Berlin, wenn die Rechtsradikalen doch in der ostdeutschen Provinz hocken? Oder gibt es außerhalb der Hauptstadt nicht genug Polizisten?

Warum pilgerte Angela Merkel nach dem Halle-Attentat sofort in die Neue Synagoge in Berlin, während das Messer-Attentat eines vermutlichen Syrers kurz vorher von ihr unbeachtet blieb? Für die Opfer des Breitscheidplatzes brauchte die Kanzlerin hingegen ein ganzes Jahr, bis sie diesen ihre Anteilnahme aussprach.

Warum wurde der muslimische Messer-Attentäter auf ebenjene Synagoge, die Angela Merkel in Berlin nach dem Attentat in Halle besuchte, nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt? Warum haben die Behörden mittlerweile seine Spur verloren?

Warum haben die Medien nach dem Halle-Attentat ihr Interesse an dem LKW-Attentat in Limburg verloren? War Halle in den Augen der Medien gewissermaßen ein „hilfreiches“ Verbrechen, damit man von muslimischen oder linken Terror-Anschlägen erfolgreich ablenken kann? In Leipzig verübten Linksradikale fast zur selben Zeit mehrere Brand-Anschläge.

Erregt es in einer deutschen Stadt mittlerweile kein Aufsehen, wenn eine Person mit Stahlhelm und Gewehr durch die Straßen läuft?

Kommt es zu einem neuen Typus von rechtsradikalen Tätern, die sich in der Abgeschiedenheit der Gamer-Szene entwickeln, und sich als völkische Einzelkämpfer verstehen – die auch kein Problem damit haben, im Wege stehende Deutsche zu töten? So wie man sich in einem Ego-Shooter-Spiel mal kurz unideologisch und ganz pragmatisch den Weg freischießt?

Ist es nicht auch beängstigend, dass Stephan Balliet sich seine Waffen über 3D-Drucker selbst herstellte? Auch wenn sich diese teilweise als nicht sehr zuverlässig erwiesen, so konnte er doch damit zwei Menschen erschießen.

Steht uns also eine Selbstbewaffnung ins Haus, die wir nicht mehr kontrollieren können?

Oder werden die Politiker als Reaktion auf diesen Anschlag aus Hilflosigkeit und als Beweis, dass sie nicht untätig sind, eine Verschärfung des Waffenrechtes für Sportschützen beschließen?

Ach, und die Politiker. Wie ehrlich ist das Entsetzen zum Beispiel einer Claudia Roth über diesen Anschlag, wenn man fast im selben Atemzug iranischen Politikern freundschaftlich die Hand schüttelt? Also genau jenen Personen, die nur zu gerne jüdische Israelis wieder ins Meer zurücktreiben wollen.

Aber vielleicht ist ein Politiker nur solange ein Freund Israels, wie der Judenhass vom politischen Gegner stammt. Vielleicht ist diese Empörung nur politisches Theater und ein wirkliches Interesse an einem blühenden Leben einer jüdischen Kultur in Deutschland gar nicht existent.

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