„Unter Heiko Maas jagt ein Fehltritt den nächsten.“

Interview der JÜDISCHEN RUNDSCHAU mit Frank Müller-Rosentritt (FDP), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages, zur fragwürdigen deutschen Nahost-Politik.

Frank Müller-Rosentritt stammt aus Chemnitz. Der Vater von drei Kindern ist Diplom-Betriebswirt und Trompeter.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Herr Müller-Rosentritt, am 13. August wurde ein Gastbeitrag von Ihnen in der „Neuen Zürcher Zeitung“ mit dem Titel „Die Bilanz des deutschen Außenministers ist kläglich“ veröffentlicht. Bitte erläutern Sie uns diese Einschätzung.

Frank Müller-Rosentritt: Dazu möchte ich gerne aus dem eben erwähnten Artikel zitieren. Dort schreibe ich: „Während verbündete Demokratien regelmäßig vor den Kopf gestoßen werden, geht man im Auswärtigen Amt allzu oft auf Kuschelkurs gegenüber autoritären und totalitären Staaten. Darunter leidet vor allem das Verhältnis zu Israel, Deutschlands wichtigstem Partner in der krisengeschüttelten Region des Nahen Ostens. Unter Heiko Maas, der laut eigenen Angaben wegen Auschwitz in die Politik gegangen ist, jagt in der Nahostpolitik ein fragwürdiger Fehltritt den nächsten. […] Man kann die Regierungspolitik unserer Verbündeten zu Recht in vielerlei Hinsicht kritisieren. Aber das Umgarnen autoritärer und totalitärer Regime bei gleichzeitig oft völlig unverhältnismäßiger Fundamentalkritik an befreundeten Demokratien, mit denen Deutschland sich eigentlich weltweit gemeinsam für Freiheit und Konfliktlösungen einsetzen müsste, lässt mich erheblich am Kompass und am konstruktiven Gestaltungswillen der Maas’schen Nahostpolitik zweifeln.“ Diese Einschätzung kann ich nur bekräftigen. Wir brauchen gegenüber unserem Partner Israel, mit dem wir in einem engen Wertebündnis stehen, ein beherztes Verhalten sowie ehrliche Taten und Antworten.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Was läuft aus Ihrer Sicht aktuell in den Beziehungen Deutschlands zu Israel schief?

Frank Müller-Rosentritt: Man sollte den aktuellen Stand der deutsch-israelischen Beziehungen nicht überdramatisieren. Zu vielen Ländern sind unsere Beziehungen deutlich schlechter. Zwischen den beiden Regierungen gibt es ein freundschaftliches Verhältnis. Aber wo viel Licht ist, findet man eben auch viel Schatten. Das deutsche Abstimmungsverhalten bei den Vereinten Nationen gegen Israel empfinde ich als unsäglich. Als FDP-Fraktion haben wir hierzu im Februar 2019 einen Antrag eingebracht, in dem wir schreiben, dass diese einseitige Verurteilung Israels bei gleichzeitiger Nichtbenennung anderer Akteure des Nahostkonfliktes für ein erhebliches Ungleichgewicht sorgt. Im Jahr 2018 wurden Staaten in insgesamt 26 Resolutionen verurteilt – davon Israel in 21. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes stimmte Deutschland 16 dieser Resolutionen zu und enthielt sich bei vier weiteren. Eine Verurteilung der Terrororganisationen Hamas und Hisbollah sucht man stattdessen vergeblich.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Die FDP ist momentan nicht in Regierungsverantwortung und schwächelt aktuell auch auf Länderebene. Welche Einflussmöglichkeiten haben die Liberalen international überhaupt?

Frank Müller-Rosentritt: Das deutsche Abstimmungsverhalten in Gremien und Sonderorganisationen der Vereinten Nationen ist dabei ein wesentlicher Punkt. Hierfür ist eine Kenntnis der Sicherheitslage Israels enorm wichtig, wofür es in der deutschen Außenpolitik aktuell an Verständnis fehlt. Und genau dafür setzen wir uns als Liberale ein. Gerade als Opposition ist es unsere Aufgabe die Politik der Bundesregierung kritisch zu überprüfen. Durch unsere Arbeit in den Gremien des Bundestags wollen wir auf eine langfristige Neujustierung hinwirken. Wir stellen uns allen politischen Kräften im Nahen und Mittleren Osten klar entgegen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen oder die Sicherheit der einzigen Demokratie in dieser Region offen bedrohen. Hierfür muss auch das Abstimmungsverhalten innerhalb der Europäischen Union besser koordiniert werden und sich an festgelegten Kriterien orientieren, wie dies beispielsweise Kanada praktiziert.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Das Auswärtige Amt war in der Geschichte der Bundesrepublik traditionell ein Ressort der Liberalen. Welche Änderungen würde die FDP im Falle einer erneuten Beteiligung an einer zukünftigen Bundesregierung dort umsetzen?

Frank Müller-Rosentritt: Im Hinblick darauf möchte ich erneut festhalten: Das Existenzrecht Israels ist für uns nicht verhandelbar. Kritik an der israelischen Regierung ist damit keineswegs ausgeschlossen, solange sie sich an Sachverhalten orientiert und dabei nicht auf eine grundsätzliche Delegitimierung des Staates abzielt. Diese Trennung zwischen der Grundsatzkritik an der Existenz des jüdischen Staates und der wie bei jedem anderen Staat legitimen Kritik an Maßnahmen der Regierung oder Äußerungen israelischer Politiker muss ein Grundkonsens in der deutschen Debattenkultur dazu werden. Ich sage außerdem ganz klar: Die Finanzierung von Terror über UNRWA-Gelder dürfen wir nicht zulassen. Es kann einfach nicht sein, dass der deutsche Steuerzahler zum Teil offen antisemitische und hasserfüllte Schulbücher finanziert, die schon kleine Kinder, die eigentlich einmal die Zukunft gestalten sollen, ausschließlich zu Hass und Feindschaft erziehen sollen. Des Weiteren sollten wir ein Deutsch-Israelisches Jugendwerke nach dem Muster des deutsch-französischen DFJW-OFAJ einrichten. Da will ich auch gerne ausdrücklich anerkennen, dass es hier seitens der Bundesregierung Bemühungen gegeben hat, an der Stelle einen Schritt nach vorne zu machen und zwar im Rahmen der letzten gemeinsamen Regierungskonsultationen.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Wie wird Ihre israelfreundliche Haltung in Ihrem Wahlkreis Chemnitz aufgenommen? Gibt es Menschen in Ihrem Wahlkreis, die Ihr pro-israelisches Wirken kritisch sehen?

Frank Müller-Rosentritt: Bedingt durch die DDR-Sozialisation ist das heute kein Gewinnerthema in Ostdeutschland. Das hat zum Teil auch mit der Demografie zu tun: Die heute 45-48-Jährigen haben bis 1990 ihre Mittlere Reife oder das Abitur absolviert. Die indoktrinierte Arafat-Verherrlichung des DDR-Bildungssystems hat, zusammen mit dem Problem eines unzureichenden Lehreraustausches, dazu geführt, dass sich diese Grundeinstellungen zum Teil noch gehalten haben. Natürlich bin ich überrascht über die positive Zustimmung in vielen persönlichen Gesprächen in meinem Wahlkreis, aber über das Gesamtbild mache ich mir keine Illusionen.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Waren Sie selbst schon einmal in Israel? Welchen Eindruck haben Sie von dem Land?

Frank Müller-Rosentritt: Selbstverständlich, zuletzt im Oktober 2018. Ich hatte vor meiner Zeit als Abgeordneter über berufliche Kontakte mit Israel zu tun. Mich beeindruckt die positive und dynamische Lebensweise der Menschen in Israel sehr. Wie bereits erwähnt, habe ich mir die Start-Up-Szene dort genauer angeschaut und möchte gerne einen deutsch-israelischen Start-Up-Dialog initiieren, wofür es auch bereits konkrete Pläne gibt.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um die innere Sicherheit in Deutschland zu verbessern? Inwiefern kann Deutschland hier von Israel lernen?

Frank Müller-Rosentritt: Wir brauchen auf jeden Fall mehr Kapazitäten bei der Justiz und der Polizei, die aktuell unfassbar überlastet sind. Der Staat muss den Vollzug geltenden Rechts konsequent umsetzen und damit das Vertrauen in den Rechtsstaat wieder stärken. Beim Einsatz moderner Technologien bei der Bekämpfung von Kriminalität, beispielsweise durch Cyber-Technologien und Informationsaustausch, sollten wir noch enger mit Israel zusammenarbeiten, wobei wir viel dazulernen können.

JÜDISCHE RUNDSCHAU: Herr Müller-Rosentritt, vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Urs Unkauf.

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